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Friedhofswärter des Rock’n’Roll

 

Die Band Mona aus Nashville bedient sich historischer Genre-Klischees, um daraus ihr Debütalbum zusammenzusetzen. Kann man öde finden oder euphorisch mitreißend.

© Universal Music

Es gibt Menschen, die halten Mona für die langweiligste Band der Welt. Dann gibt es andere, die halten Mona für vielleicht nicht eben die alleraufregendste Band der Welt, aber doch für eine ziemlich aufregende Rockband. Das Spannende daran ist: Alle haben sie Recht. Irgendwie.

Der Widerspruch entsteht wohl vor allem dadurch, dass sich das Quartett aus Nashville für seine Rockmusik weidlich aus dem Geschichtsfundus bedient hat. Wenn die vier auf die Bühne klettern, sehen sie mit ihren dickbäuchigen Retro-Gitarren und zur Tolle aufpomadierten Haaren, in weißen T-Shirts, schlichten Blue Jeans und Cowboystiefeln aus, als hätten sie eben an der Bar noch einen mit James Dean gesoffen. Oder wenigstens mit Joe Strummer ausdiskutiert, welche Bühnenposen die verdammt noch mal coolsten sind.

Dean und Strummer sind nun beide bekanntlich schon tot, der eine immer schon und der andere auch schon viel zu lang. Aber Mona stört das nicht, die reiten die Leichen noch mal zu Tode und hören noch lange nicht auf mit der Historisierung. Im Videoclip zu ihrer Single Listen To Your Love treiben sie das Zitieren ikonografischer Bilder dann endgültig auf die Spitze: In hektischen Schnittwechseln erscheinen Elvis Presley und Marilyn Monroe, 39 Liter Sprit auf drei Meilen schluckende Straßenkreuzer und Pin-Up-Girls, Baseball und Boxen, explodierende Atombomben oder Ausschnitte aus Bonanza.

Es ist, seien wir ehrlich, eine hemmungslose Anhäufung von Klischees, die auch noch mit der Musik ungebrochen fortgesetzt wird. Vom klassischen Rockabilly über den Garagenrock aus den Sixties bis zum Punk ziehen sie eine tiefe Furche durch den Gottesacker, auf dem die vermeintlich ehrliche und ziemlich verschwitzte Rockmusik ungefähr schon dreihundertsiebenundachtzig Mal beerdigt wurde, aber aus dem immer wieder neuer Nachwuchs sprießt. Außerdem klingt die Stimme des Sängers Nick Brown, der wie seine Bandkollegen in einer streng christlichen Familie aufgewachsen ist, ein wenig wie die des bekanntlich auch ziemlich erweckten Bono Vox, womit der Stadionrock der achtziger Jahre auch noch exhumiert wäre.

Das kann man völlig zu Recht ziemlich abgeschmackt finden, zudem in den Songs, die Brown schreibt, ziemlich ausführlich die Rede ist von verlorenem Stolz und gebrochenen Herzen, von Wut und Wildheit und Sturm und Drang. Außerdem natürlich davon, wie schwer es ist, die Liebe zu finden, und noch schwerer, sie dann festzuhalten. Generell geht es vor allem darum, wie unerträglich das Leben ist, wenn man jung, attraktiv und lebenshungrig ist, und dass man trotzdem versuchen muss „auf den Mond zu schießen“. So heißt ein Song von Mona und im Amerikanischen bedeutet das soviel wie, das Unmögliche zu versuchen, um wenigstens das Realistische zu erreichen.

Man kann Mona aber auch, mit mindestens dem gleichen Recht, für ihre Chuzpe bewundern, das Versprechen, das der Rock’n’Roll einmal, vor sehr langer Zeit gegeben und seitdem immer wieder gebrochen hat, noch einmal zu erneuern. So mitreißend stürmen die Gitarren voran, so euphorisch sind die Melodien, die Brown mit so leidenschaftlichem Knurren singt, dass man förmlich die sich aufplusternden Schlagadern an seinem Hals sehen kann. Ob man das für einen schönen Anblick hält, hängt wahrscheinlich vom Standpunkt ab.

„Mona“ von Mona ist erschienen bei Island/Universal.