Was ist denn das für ein Quatschheini? Er nennt sich Robag Wruhme und sein Album „Thora Vukk“. Und er hat eine der schönsten Elektroplatten des Sommers gemacht.
Manchmal liegt man richtig daneben. Hat’s verdaddelt, verpeilt, einfach nicht gecheckt. Wusste es mal wieder besser. Wollte nicht auf die anderen hören. Bis es am Schluss heißt: Ich habe mich vertan. So erging es dem Autor mit Robag Wruhme. Er war bekannt als Teil der famosen Wighnomy Brothers, hier und da hörte man mal einen seiner Remixe. Das war taugliche, minimale Tanzmusik mit bizarren Titeln: Wuzzelbud, Stekkrüben, Rolf Wenn Er Gefragt Ist und Bart Eins – Wruhme bastelte aus Anagrammen und Dada seine eigene Sprache. Der Rest war da schon fast egal. Selbst sein echter Name, Gabor Schablitzki, klang wie ausgedacht.
Dann kam Wruhmes Hit Katze geil, eine Jazz-Eumelei mit Helge Schneider und Rocko Schamoni am Mikrofon. Hier fand zusammen, was zusammengehörte. Aber es war eine gefühlte Ulkigkeit zuviel. Robag Wruhme firmierte fortan als schrulliger Kauz, sein Sound zwischen stolperigem Jazz und Daddel-House landete in der Schublade mit der Aufschrift „quatschig“. So kann man sich irren.
Denn da ist zunächst Wuppdeckmischmampflow, eine der schönsten Mix-CDs der letzten Zeit. Wruhme mischt sich ausschließlich durch Lieblingsplatten von Ricardo Villalobos, Trentemøller, Tiefschwarz und Kollektiv Turmstrasse. Keine großen Überraschungen, aber viel wichtiger ist, was Wruhme daraus macht: Teilweise laufen zwei, drei Stücke gleichzeitig, drehen sich ineinander. So entstehen ganz neue, zeitlose Stücke. Und dann ist da noch das Schmapelschatull (wieder so ein Wruhme-Wort), eine Art Geheimwaffe, die es ihm erlaubt, Effekte und Loopschleifen hinzuzuschalten. Mit seinen vielen kleinen und großen Euphoriemomenten dürfte Wuppdeckmischmampflow für einen ganzen Sommer reichen.
Und damit nicht genug. Schließlich wischt Thora Vukk, das zweite, neue Studioalbum von Robag Wruhme, die letzten Zweifel vom Tisch. Man sollte diese Platte wie ein heimliches Debüt hören. Natürlich tragen die Stücke wieder die typischen Wruhme-Titel. Aber Bommsen Böff, Pnom Gobal oder Tulpa Ovi klingen gar nicht albern. Stattdessen ist Thora Vukk eines der wenigen wirklich intimen elektronischen Musikalben des Jahres.
Auf dem Plattencover: der kleine Gabor auf der Autobahnbrücke. Tatsächlich trägt die Musik auf Thora Vukk viel Kindliches in sich. So wie sich Jazzklänge auseinanderfalten, die House-Basstrommel herankullert oder eine gestopfte Trompete einen klagenden Ton pustet. Dann wieder brummeln alkoholbelegte Stimmbänder „Like it, like it, like it„. Alles scheint zu verharren, wie wenn ein großer Regen aufzieht. Und dann kommt endlich die Bassdrum als schützendes Dach.
Zwischen die sieben, eher tanzbaren Stücke hat Wruhme kleine Brücken gebaut – akustische Überleitungen, die den Fluss des Albums immer wieder sanft abbremsen. Sie sind kurz, aber man hört so ungemein viel: Wruhme spielt auf dem Fender Rhodes eine melancholische Akkordfolge. Man hört das Atmen ins Mikrofon, das Klicken der Computertastatur und den knarrenden Fußboden. Im Hintergrund raschelt der nächtliche Spreewald. Auf Thora Vukk scheint keine Trennung zwischen Innen und Außen zu existieren. Alles klingt, als würde es hier zum ersten Mal geschehen.
Umso schöner ist es, wenn man gar nicht so genau weiß, was man da überhaupt hört. Was ist das für eine Sprache, die der Kinderchor im Lied Tulpa Ovi spricht? Und woher kommt das Knistern in Prognosen Bomm? In solchen Momenten rückt die Musik ganz nah an an den Hörer, wie ein Freund, der etwas flüstert. Erst am Ende wird Robag Wruhme ganz konkret: Ein schläfriger Chor aus Freunden und Verwandten beschließt das Album. „Tschüß Gabor!“, quäkt ein kleines Kind. Man möchte selbst zurückwinken.
„Thora Vukk“ von Robag Wruhme ist bei Pampa Records erschienen. Seine Mix-CD „Wuppdeckmischmampflow“ ist bei Kompakt erschienen.