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„Jetzt sollte jeder Fan MP3s kaufen“

 

Während der Krawalle in London brannte ein Lagerhaus von Sony nieder, samt Tonträgerbestand von mehr als 150 Indie-Labels. Doug Shipton von der Plattenfirma Finders Keepers hat beinahe alles verloren.

© PR

ZEIT ONLINE: Mister Shipton, Sie betreiben in London das Label Finders Keepers. Wie stark sind Sie vom Brand im Sony-Lagerhaus betroffen?

Doug Shipton: Im Moment wissen wir gar nicht genau, wie schlimm es steht. Wir hatten ungefähr 200 Titel im Lagerhaus. 90 Prozent unserer Bestände sind verbrannt. Wie viele Kopien es waren, wissen wir noch nicht, weil das Computersystem von Pias gerade nicht einsehbar ist. Noch ist auch nicht klar, wie die Versicherungen reagieren.

ZEIT ONLINE:
Was ist Ihr größter Verlust?

Shipton: Finders Keepers ist ein Reissue-Label, gerade wir sind auf unseren Katalog angewiesen. Unsere Veröffentlichungen brauchen nicht den sofortigen Erfolg, sie führen die Leute eher langsam zum Rest unseres Katalogs. Wir haben gerade Platten gepresst für künftige Veröffentlichungen, die sind alle verbrannt, bevor wir sie überhaupt erscheinen konnten. Das ist auch ein großes Risiko für die Künstler. Sie haben viel Zeit und Energie in die Aufnahmen, das Mastering gesteckt. Wir waren gerade dabei, Tourneen zu planen. Jetzt hängen alle in der Luft.

ZEIT ONLINE: Was tun Sie, um das Geschäft am Laufen zu halten?

Shipton: Wir bringen ein paar Notfall-Platten raus. Zum Glück helfen uns viele Freunde. Jarvis Cocker und Gruff Rhys von den Superfurry Animals machen eine Fundraising-Compilation für uns, die heute noch in Produktion geht. Wir müssen einfach den Geldfluss aufrechterhalten. Uns geht es wie allen anderen Betroffenen: Wir können es uns nicht leisten, die vernichteten Tonträger neu zu pressen.

ZEIT ONLINE: Für wie viele Mitarbeiter tragen Sie die Verantwortung?

Shipton: Drei Leute besitzen und führen die Firma, vier arbeiten im Büro. Und wir vertreten etwa 100 Künstler. Wir alle müssen von irgendwas leben. Bald sind Lizenzzahlungen fällig, das wird hart.

ZEIT ONLINE:
Sie sind also dringend auf die Entschädigung der Versicherung angewiesen.

Shipton: Wir können nur hoffen, dass die Versicherung bald zahlt. Das Problem wird sein, dass wir wohl nur den Produktionswert erstattet bekommen, nicht den Umsatzausfall der kommenden Monate. Für uns als kleines Label ist das schon sehr gefährlich, aber die großen Indie-Label wie Rough Trade und XL wird es noch härter treffen.

ZEIT ONLINE: Auch der Einzelhandel ist in Gefahr.

Shipton: Ja, auch deshalb muss unsere Fundraising-Compilation schnell raus, damit die kleinen Plattenläden was zum Verkaufen haben. Wenn sie nicht die neusten Veröffentlichungen parat haben, sind sie nicht mehr wettbewerbsfähig. Wir unterstützen uns alle gegenseitig.

ZEIT ONLINE: Wie können Fans helfen?

Shipton: Jeder soll sein Lieblingslabel unterstützen und Musik als Mp3 oder per Mailorder kaufen.

ZEIT ONLINE:
Wie blicken Sie als Betroffener auf die Krawalle in England?

Shipton: In Birmingham sind Menschen gestorben. In Westlondon wurde jemand von Plünderern fast totgeschlagen. Das ist schlimmer als das Sony-Feuer. Der Brand hat glücklicherweise niemanden verletzt. Wir müssen erst einmal aufräumen, bevor wir auf andere zeigen und sie beschuldigen. Wenn sich der Staub gelegt hat, werden wir alle eine klare Meinung zu diesen Vorfällen haben.