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Bier-und-Benzin-Gitarren

 

Amerikanische Nostalgie in elf Liedern: Das neue Album von Blitzen Trapper weckt Erinnerungen an den erdigen Rock von Lynyrd Skynyrd oder The Band.

© Sub Pop

Im Jahr 1974 brachte die Firma Honda ein Motorrad namens Gold Wing auf den Markt, das zu einem Verkaufsschlager wurde und bis heute immer weiter entwickelt und hergestellt wird. 37 Jahre später bringt die Band Blitzen Trapper eine Schallplatte namens American Goldwing heraus, die sich vermutlich nicht allzu großartig verkaufen wird und alle modernen Entwicklungen der Popmusik konsequent negiert.

Tatsächlich haben Blitzen Trapper ihr sechstes Album nach dem Motorrad benannt. Dass das Motorrad von japanischen Ingenieuren konstruiert wurde, ist ein bisschen schade, denn die Musik der Band aus Portland, Oregon, bezieht sich ausschließlich und voller Detailfreude auf in Nordamerika entworfene Baupläne. Mit American Goldwing habe er, verriet der Sänger, Gitarrist und Songschreiber Eric Earley unlängst, „wahre amerikanische Nostalgie heraufbeschwören“ wollen. Tatsächlich stellt sich sein Quintett breitbeinig in eine Traditionslinie, die zurückreicht bis zu den Notorious Byrd Brothers, Lynyrd Skynyrd, Buffalo Springfield, Creedence Clearwater Revival oder – nicht zu vergessen – The Band.

Mit ihrem ländlichen Rock sind Blitzen Trapper also nicht allein, aber spätestens mit American Goldwing womöglich die Konsequentesten. Verglichen mit dem erdigen Gefühl, das Songs wie My Home Town oder Taking It Easy Too Long lastwagenweise auskippen, wirken alle bisherigen Bemühungen von Bands wie Widespread Panic oder My Morning Jacket wie modernistische Verwirrungen. Ein Honkytonk-Piano taumelt durchs Bild, Jahrmarktfiedeln geben den humpelnden Takt vor, und am Lagerfeuer kreischt die Mundharmonika, wenn nicht sowieso Gitarren, Gitarren und Gitarren das Klangbild bestimmen. Manche dieser Gitarren schmecken nach Bier, andere riechen wie Benzin und die meisten lassen einen in eine endlose, staubige Weite blicken.

Außen auf der CD ist ein Highway zu erkennen, der schnurgerade bis zum Horizont verläuft, und innen posiert die Band, die früher auch schon mal bärtiger war, in Flanellhemden und Jeansjacken vor einer schmucklosen Holzhütte. Earleys Großvater spielte Mundharmonika in einer Bluegrass-Band, seine Eltern waren Folkmusiker und sein erstes Instrument war ein Banjo. Das College hat er nicht beendet, dann war er eine Zeit lang obdachlos, heute schreibt er Songs über Menschen, die letzte Nacht mal wieder zu viel getrunken haben, die alte Koffer durch die Gegend tragen und im Herzen Erinnerungen an die Menschen, die sie zurücklassen mussten, über Menschen, die entwurzelt sind, allein und einsam, Songs, die Stranger In A Strange Land heißen.

Die meisten dieser Lieder sind großartig. Schon früher hat Earley immer wieder Songs verfasst, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen wollten: Black River Killer zum Beispiel vom 2008 erschienenen Album Furr oder auch dessen Titelsong. Erstmals aber ist Blitzen Trapper mit American Goldwing nun ein ganzes Album gelungen, dessen elf Stücke schon beim allerersten Hören so vertraut wirken, als seien sie Klassiker aus den goldenen Zeitaltern der amerikanischen Rockmusik. Aus vollkommen unverständlichen Gründen waren sie in Vergessenheit geraten, nun sind sie erfolgreich rekonstruiert worden – gern auch mit japanischer Technik.

„American Goldwing“ von Blitzen Trapper ist erschienen bei Sub Pop/Cargo.