Gerade erst dem Jugendalter entwachsen und schon so gut! Im Lisbeth Quartett um die Berliner Saxofonistin Charlotte Greve versammeln sich junge Könner des Jazz.
Das Rad, so viel steht auch im Jazz seit etwa 40 Jahren fest, ist längst erfunden und erforscht und zu einem Lehrstoff für die Akademien geworden. Doch es dreht und dreht sich immer weiter und befördert Musiker ins Licht der Scheinwerfer, mit denen nicht zu rechnen war.
Musiker wie das Lisbeth Quartett der Berliner Saxofonistin Charlotte Greve, das zu drei Vierteln gerade erst dem Jugendalter entwachsen ist. Mit selbstverständlicher Wucht und ausgeschlafener Spielfreude ziehen die vier Musiker ihre Runden, kratzen mit garstigen Akkorden an den Leitplanken der harmonischen Struktur und laden den swingenden Puls mit Reibungsenergie auf.
Sie sind Könner, denen der Jazz schon ins Blut übergegangen ist. Doch wenn dann die Saxofonistin ihr Instrument ansetzt, zieht ein anderer Horizont auf, und jeder Gedanke an das Durchschnittsalter des Quartetts ist vergessen. Ein einziger Ton genügt: Markant und scharf und mit treffsicherem Timing schneidet er durch das Brodeln der Akkorde und steht im Raum wie ein Monolith.
Charlotte Greve pfeift auf die Klischees und auf das athletische Schneller-Höher-Weiter – sie lässt ihren Ideen Zeit, sich zu entwickeln, lässt jedem einzelnen Ton den Raum, in dem er sich zu voller Größe auswachsen kann, bevor sie sich in einer geschmeidigen Bewegung zum nächsten, übernächsten schwingt. Nichts ist in dieser Musik vorhersehbar, nichts ist sicher. Das junge Lisbeth Quartett gibt eine Demonstration der Reife.
„Constant Travellers“ vom Lisbeth Quartett ist erschienen Traumton/Indigo.
Aus der ZEIT Nr. 44/2011