Wer einmal Solveig Slettahjell singen gehört und ihren Namen buchstabiert hat, vergisst sie nicht. Jetzt hat Norwegens Meisterin der Reduktion ihre Lieblingspoplieder aufgenommen.
Nach Hause kommen, Tür zu. Ans Klavier, den Deckel hoch, ein paar Tasten. Einer von diesen Songs, die schon immer da gewesen sind. Rolling Stones, beispielsweise, Annie Lennox oder Tom Waits.
Nur etwas langsamer. Leiser. Transparenter. Man fühlt den Atem, jeden einzelnen Zug, man spürt seinen sanften Druck, die Schwingungen des Vibrato. Einige Worte, Wild Horses, etwas Text schimmert auf, couldn’t drag me away, verweht, hört auf. Als wäre nichts gewesen, ein neuer Song beginnt.
Unter den vielen Sängerinnen aus Norwegen, die in den letzten Jahren Mitteleuropa eroberten, ist Solveig Slettahjell die Meisterin der Reduktion. Ihre Zeitlupe wirkt umso stärker, je kleiner sie das Format wählt. Im Duo mit dem seit Langem vertrauten Pianisten Morten Qvenild ist sie (fast) ganz zu Hause. Das Klavier, die Stimme, ein paar dramaturgisch sicher eingesetzte Effekte – fertig.
Singen kann sie, keine Frage, mit einem Alt, warm wie ein alter Bollerofen. Präzise intonieren, messerscharf phrasieren, kein Problem, aber ihre Stärke liegt in der Intimität des Zusammenspiels. Darin, alle äußere Spannung abzustreifen und damit die innere umso prägnanter ins Licht zu rücken. Und je weiter sie die Songs ausbremst, je deutlicher und gleichzeitig lässiger sie die kleinen Schrunden in den Melodien hörbar macht, die Narben, die die Worte in die Melodie kerben, desto wärmer wird es.
„Antologie“ von Solveig Slettahjell ist erschienen bei Emarcy/Universal.
Aus der ZEIT Nr. 4/2012