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Ein Klavier vor der Clubtür

 

© Dirk Stewen

Oft wird’s banal, wenn Pop und Klassik einander umtänzeln. Der Hamburger Christian Naujoks hingegen ist ein eleganter Vermittler, sein neues Album berückend schön.

Es gehört offenbar zum künstlerischen Lebenszyklus jedes Musikers aus dem Fachbereich der elektronischen Tanzmusik, sich irgendwann über Knöpfe und Maschinen gebeugt zu fragen: Könnte ich nicht auch Klassik? Immer nur in dunklen Clubs herumclubben, es hört ja eh keiner mehr hin. Aber die Heimeligkeit des Konzertsaals! Allein schon beim Ausklappen der Notenständer fühlt man sich dem prolligen Abgefahre entwachsen. Also werden Streichinstrumente plus Bedienung herangekarrt, allerlei Gebläse aus Holz und Blech aufgefahren. Ein Konzertsaal ist schnell angemietet – es stehen ja so viele leer.

Wenige Monate später stehen dann diese Platten im Regal. Erwachsen und alles ganz schön, denkt man. Viel Konzept, aber das dreckige Geclubbe fehlt einem dann doch. Die Platte hört man übrigens nie wieder. Warum will der Crossover aus Klassik und elektronischer Musik bloß nie richtig gelingen? Widmen wir uns also lieber einer Platte, die beides nicht ist und trotzdem an den Ufern der Genres fischt.

Christian Naujoks: Chamber Two by Dial Records

Schaut man das stilvolle und zurückhaltende Cover zu True Life/In Flames des Hamburgers Christian Naujoks an, bekommt man das Gefühl, dass hier alles richtig gemacht wurde. Man sieht die spartanisch beleuchtete Bühne der Hamburger Laeiszhalle. Hohe Decken. Einen Steinway-Flügel, eine Marimba. Teure Mikrofonie, viele Kabel und ein Computer, wo sonst der Dirigent steht. Menschen sind keine da. Vielleicht ist das der Grund, warum einen ganz unmittelbar die große Lust überkommt, herauszufinden, welcher Klang unter diesen höhlenartigen Bedingungen entstanden ist.

© Dial

Erschienen ist das Album beim Hamburger Label Dial Records, produziert hat sie Tobias Levin. An dieser Stelle könnte schon alles klar sein, aber es gilt das Gelungene zu beschreiben. Levin hat Naujoks am Klavier (und Martin Krause an der Marimba) aufgenommen, als spiele er nicht in den Raum, sondern mit dem Raum. Jeder Klavierakkord hallt wider, weitet sich aus und schwebt zu Boden. Naujoks spielt nicht allzu lange, auf repetitiven Mustern aufgebaute Stücke.

In Stücken wie Chamber Two oder You Are Everything verstärkt die Marimba die rhythmische Balance der Stücke. Da ist Naujoks ganz nah an der Clubmusik, greift minimalistische Muster auf. Dann ist es auch wieder ganz einfach moderne Klaviermusik: erhaben, ernst, klar und oft einfach nur berückend schön. Man kann jedem Akkord nachfolgen, jede Note nachfassen.

Christian Naujoks: Moments I by Dial Records

In den zwei Stücken Moments I und II – es handelt sich um musikalische Zitate eines John-Cage-Stückes – singt und summt Naujoks sanft über die Klavierakkorde. Wie die Stimme plötzlich in die Klangdichte des Klaviers einbricht, erscheint fast schon störend. Auch weil Naujoks kein besonders guter Sänger ist, büßt die Platte beim ersten Hören etwas von ihrer Sachlichkeit ein.

Am Ende jedoch sind es gerade diese beiden Stücke, die True Life/In Flames vor der humorlosen Banalisierung retten. Weil Naujoks seine eigene dünne Stimme dem Pathos des Klavierklangs schutzlos gegenüberstellt, bleibt das Album bewegend. Seine Verletz- und Fehlbarkeit ordnet er dem Anspruch an intellektuell gewichtige Musik keineswegs unter. Das macht die Platte und den Künstler nicht nur sympathisch. Es macht sie glaubhaft.

„True Life/In Flames“ von Christian Naujoks ist bei Dial Records erschienen.