Matthew Dear ist ein Star der DJ-Szene. Er untersucht die Grenzen zwischen Techno und Indierock – mal mit guten, mal weniger guten Ergebnissen. „Beams“ heißt sein neues Album.
Seine Stücke finden sich nur noch selten in den DJ-Charts, dennoch gilt der texanische Produzent Matthew Dear als Star im Techno, ein Pionier des Minimal. Anfang der Nullerjahre bemühte er sich, nicht den Eindruck zu erwecken, still zu stehen. Das ging nicht immer gut: Die Platte Asa Breed von 2007 war sein Versuch, Techno und Indiepop einander anzunähern. Dear griff zum Mikrofon, es wurde etwas seltsam. Doch dann kam Black City – ein tolles Album, dass 2010 im Raum stand wie ein rostig-schwarzer Monolith. Jetzt erscheint Beams, das fünfte Album. Dear Matthew, was nun?
Das expressionistische Porträt von Michael Cina auf dem Cover deutet es an: Klare Linien sind nicht Matthew Dears Ding. So ist das erste Stück Her Fantasy ein mit breitem Pinselstrich gemaltes Postkartenpanorama in Neonfarben. Mediterrane Geräuschkulissen verbinden sich mit leuchtendem Achtziger-Jahre-Wave, der sich wie fluoresziernde Bäche um die Beats schlängelt. Dazu hat Dear seinen Gesang auf maximal mondäne Schläfrigkeit heruntergeschraubt. So ähnlich muss David Bowie nach dem Aufstehen klingen.
Während Fighting Is Futile als düster groovender Dance-Rock quasi unbeachtet vorüberziehen kann, gerät die Platte mit Shake Me erstmals in Funk-Gefilde. Dear baut dazu ein cleveres Rhythmusgerüst aus Stimmen und schartigen Bass-Splittern. Dazu singt er Zeilen wie „Take a trip on something else„. Es brodelt schwärzlich, riecht gefährlich nach Rauch. In Earthforms wird das Licht immer schwächer. Matthew Dears Gitarre klingt wie in Spiderman von The Cure. Will Dear jetzt auch noch Gothic Rock sein? Und warum singt er wie Peter Steele?
Dass ein wichtiger Referenzpunkt aber nicht Robert Smith, sondern David Byrne heißt, zeigt Up & Out mit seiner präzisen Post-Punk-Gitarrenfigur und den heransteuernden P-Funk Synthies. Das Licht ist an, jetzt möchte man auch mal tanzen. Aber Matthew Dear will lieber Avantgarde sein! Temptation und Ahead Of Myself sind Musikstücke aus dem Bunker – trocken, in staubiges Grau getauchter Tanzrock. So richtig kommt Dear jetzt aus der Nummer nicht mehr raus. Im letzten Drittel klingt Beams oft wie eine krumme Depeche-Mode-Parodie (Overtime, Do the Right Thing) oder stagniert in verstörender Dudeligkeit (Headcage).
In die DJ-Charts wird es Matthew Dear in diesem Jahr wohl wieder nicht schaffen. Man muss ihm dennoch zugute halten, dass er Musik macht, die sich im Laufe der Spielzeit immer persönlicher anfühlt. Selten stand die Stimme so im Zentrum des Geschehens wie auf Beams. Dear ist ganz nah dran, manchmal vielleicht zu nah: Sein Porträt enthält einige Pinselstriche zuviel. Aber für alle großen Künstler gilt: Pinsel auswaschen, weitermalen!
„Beams“ von Matthew Dear ist bei Ghostly International erschienen.