Das Leben nach Steely Dan: Der 64-jährige Donald Fagen zeigt auf seinem vierten Soloalbum, warum sein Jazzpop so perfekt ins Manufactum-Regal passt.
Möchte man sich einen Rockmusiker als Sleeper vorstellen? Also jenes von der Tonträgerindustrie schwer erreichbare Wesen, das weder Zeit hat noch Lust verspürt, aktuelle Veröffentlichungen käuflich zu erwerben?
Der Amerikaner Donald Fagen, mittlerweile 64, erfüllt die Kriterien eines Schläfers, er habe schon Mitte der Siebziger sein Interesse am Pop eingestellt, teilt er in Interviews mit. Er schöpfe aus einem Plattenregal, das nur 40 Alben umfasse, von Sonny Rollins bis Miles Davis. Und weil Donald Fagen sich aus Prinzip schon aus der Zeit stiehlt, darf er sich auch Zeit mit seinen Alben lassen.
Sunken Condos, sein vierter Longplayer in 30 Jahren, zielt auf ein Publikum, das weiß, dass es eigentlich gar nichts wissen muss. Es kauft das Versprechen, dass diese neue Platte an den gesetzten, elegant gewandeten Highbrow-Jazz-Rock anschließt, den Fagen mit Walter Becker unter dem Namen Steely Dan in den Siebzigern perfektioniert hat. Durchaus für eine junge Hörerschaft damals – Steely Dan waren insofern subversiv, als sie die Frechheit besaßen, uns die Musik unserer Eltern unterzujubeln.
Donald Fagen – I’m not the same without you
Heute hat der Sänger, Songwriter und Keyboarder Fagen endlich das Alter erreicht, das mit seinen Kompositionen zu korrespondieren scheint. Sunken Condos ist eine konsequente Alte-Säcke-Platte geworden, deren geschmeidige Musikalität zum Ausdruck eines Standpunktes wird: Hier steht einer, der weiß, wie’s im Leben läuft, und nun mit Ironie und Witz auf dem Tableau der Erfahrungen tanzt.
Ein Song handelt von der Chance, sich nach einer Trennung neu zu definieren, ein anderer vom Glück, mit einem „jungen, aufreizenden Ding“ um die Häuser zu ziehen, das auch nur bis zum nächsten Rendezvous dauert. Später ruft er den Herrn an, „tell me what’s to be done, Lord, ‚bout the weather in my head„, und Fagens fast körperloses Flehen wird vom Gezwitscher der E-Gitarre beantwortet, am Ende ist alles Wohlklang.
In dieser stets klinisch gereinigten U-Musik mit zahlreichen Funk- und Blues-Verweisen liegt auch des Künstlers Erfolgsgeheimnis, Fagens Retrobekenntnis befestigt die Komplizenschaft mit einem Publikum, das seinen Haushalt lieber mit Longlife-Produkten ausstattet, als sich den täglich neuen Narreteien des Pop auszusetzen. Das nächste Album des Sleepers sollte dann endlich bei den guten Dingen von Manufactum im Regal stehen.
„Sunken Condos“ von Donald Fagen ist erschienen bei Warner.
Aus der ZEIT Nr. 41/2012