Mit rotziger Black-Sabbath-Gitarre führt Kevin Parker seine Band Tame Impala durch benebelte Epochen der Rockmusik: ein Trip in Batikhosen mit den Globetrottern des jüngeren Pop.
Wer seine Hörer mit auf musikalische Weltreise nimmt, wer sie klanglich durch alle Elemente schickt und alle Sphären, wer sie in trockene Wüsten lockt oder die Weiten des Weltalls, in eisige Höhen, dunkle Tiefen, seichte Gewässer und die besonders tiefen, der sollte ihnen ein Halteseil zuwerfen, sofern sie ihm denn am Herzen liegen. So gesehen darf man Tame Impala wohl als ausgesprochen fürsorgliche Globetrotter des Pop betrachten.
Denn das australische Kollektiv um den Soundtüftler Kevin Parker entführt uns auch auf ihrem zweiten Album Lonerism auf eine Reise durch alle Gefilde des Unter- wie Überbewussten. Es ist wie schon auf dem viel beachteten, sehr beachtlichen Debüt Innerspeaker vor zwei Jahren ein Trip in verwaschenen Batikhosen durch das, was bereits früher mit Weltmusik nur schlecht umschrieben war und sich in Ethnopopzeiten gleich allen Klassifikationen entzieht.
Doch Tame Impala, benannt nach einem afrikanischen Beutetier, immer unterwegs, immer auf der Flucht und doch ein tiefenentspannter Savannenbewohner, sie werfen das angesprochene Seil immer wieder ins Dickicht ihrer wilden Fantasie und nehmen uns so inmitten der Kakophonie sorgsam an die Hand. Man nennt dieses Seil auch Thema.
Denn es mag wogen, mäandern und fließen, rennen, retten, flüchten und dann wieder im Nichtstun überraschender Pausen verharren: In jedem dieser zehn psychedelischen Flächen aus den LSD-gedimmten Erinnerungskosmen unserer endhippiebewegten Eltern stecken kleine Anker des Berechenbaren. Wie Haltegurte fixieren sie alle Strophen, alle Refrains, jede Note, jedes Break. Wie Reste gängiger Hörgewohnheiten in einem Fluss musikalischer Launen, die das Hören ungeheuer erleichtern – wenn nicht überhaupt erst möglich machen.
Bei der Singleauskopplung Elephant etwa ist dieses Thema Parkers rotzige Black-Sabbath-Gitarre, die sich wie ein Sicherungshaken am Berg ins wabernde Allerlei von Tame Impala krallt. Beim vorherigen Mind Mindschief dagegen ist es ein klares Progrock-Riff, von dem er zu keiner Zeit ablässt. Im wirren Endors Toi sorgt eine unermüdliche Orgel für den roten Faden im wild verknoteten Knäuel aus ewigen Erdbeerfeldbeatles vorm Hardrockfinale.
Und immer wieder bildet Jay Watsons Schlagzeug die erkennbare Geschmacksnote im Bandsalat, mal als stoische Snare in Apocalypse Dreams, mal als abgehacktes Dauersolo in Why Won’t They Talk To Me. Ständig geht es hier zwischen Stonerrock, Indietronic und Psychedelic, Monstermagnet, Yeasayer und Ween hin und her bis die Wahwahs glühen. Doch das Durcheinander wird eben auch immer wieder geerdet, und sei es durch Parkers Stimme, die (zum Glück) eher an den späten McCartney als den frühen Ozzy Osbourne erinnert.
Trotz dieses Vintage-Looks passt Lonerism also durchaus in die Gegenwart. Man muss die späten Sechziger dafür zwar schon ein wenig mögen, diesen berauschten, verwirrten Klangstrom zwischen Beat und Disco; wer die Ursprünge digitaler Musik allerdings auch im Analogen sucht, wird bei Tame Impala fündig. Man muss die Hand, die sie uns reichen, nur ergreifen.
„Lonerism“ von Tame Impala ist erschienen bei Modular/Rough Trade.