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Miese Texte unter Tränen

 

Geteiltes Leid sei halbes Leid, heißt es. Das gleichnamige Album von Moses Pelham ist leider doppelt schlimm: pathetisch und unecht.

© Sony Music

Am Anfang denkt man natürlich noch nicht an die Folgen. Da haut man halt auf die Kacke. Macht ja Spaß. Gegen alle Vernunft. Grölt rum. Macht Lärm. Schlägt über die Stränge. Probiert sich aus und geht an die Grenzen. Bis der Kater kommt. Und nicht mehr weg geht.

Nein, hier ist nicht die Rede von Alkoholmissbrauch. Nur von Moses Pelham. Denn dessen neues Album Geteiltes Leid 3 klingt tatsächlich wie der steingraue Morgen nach einer allzu langen Nacht: schal, taub, irgendwie pelzig. Und im Kopf tobt, nur ein paar Zentimeter über dem schlechtem Geschmack im Mund, der Schmerz.

Pelham heißt ja nicht nur Moses. Er hatte einst durchaus die Qualitäten und das Pathos eines Propheten. Vor allem das Pathos. Aber das war damals, als er zusammen mit Thomas Hofmann noch das Rödelheim Hartreim Projekt bildete und den Gangsta-Rap hierzulande erstmals salonfähig machte. Diese Pionierleistung war umstritten, obwohl damals noch nicht einmal abzusehen war, dass sie den Boden bereitete für solche Gestalten wie Bushido oder Sido. Der junge Moses teilte also zwar nicht das Meer, aber die Meinungen. Selbst die Kritiker aber mussten zugeben, dass hier jemand eine authentische, mitunter recht schlaue Stimme etablierte, die manchmal sogar Humor hatte.

Heute nervt diese Stimme nur noch. Das liegt nicht einmal so sehr daran, dass sich der mittlerweile 41-jährige Pelham in Plattenfirmenbesitzer (3p), Popstar-Entdecker (Xavier Naidoo, Sabrina Setlur, Cassandra Steen), notorischen Streithammel (Xavier Naidoo, Stefan Raab) und nun auch noch Casting-Show-Juror (X-Factor) verwandelt hat. Das liegt daran, dass all diese Erfahrungen und all diese Jahre keinen Widerhall finden in den neuen Liedern: Immer noch rappt Pelham, als wären die Worte ein Müsli, das beim Kauen in den Backen quillt, und immer noch tut er so, als müsse er sich seinen Platz in der Welt erst noch erobern. Als wollten ihm alle anderen ans Leder. Als wäre seine Ehre in Gefahr. Als müsste er es den andern zeigen. Als hätte er es nicht schon allen gezeigt.

Dabei ist Pelham doch lange raus aus dem Frankfurter Problemviertel, aus dem er stammt – nicht nur örtlich, vor allem auch gesellschaftlich. Entweder also wird Pelham von einem mittelgroßen Minderwertigkeitskomplex geplagt. Oder er hat sich in dem Image verirrt, das er einst selbst konstruierte.

Warum auch immer: Ein erfolgreicher Unternehmer, Mainstream-Künstler und Privatfernsehstar stilisiert sich zum Außenseiter und wird dabei von den ähnlich erfolgreichen Kollegen Jan Delay, Xavier Naidoo und Gentleman stimmlich unterstützt. Eine Masche, die auch die Böhsen Onkelz, deren Proll-Rock Pelham einst davon überzeugte, dass auch deutschsprachiger Rap möglich sein muss, praktizierten: Auch als die Alben der Onkelz längst an der Spitze der Charts einstiegen, gelang es ihnen noch, ein Wir-gegen-den Rest-der-Welt-Gefühl herzustellen, obwohl ihre Millionen Fans längst selbst zu einer Mehrheit geworden waren.

Nein, Pelhams Rap ist nicht mehr authentisch. Doch für ihn, der weder jemals ein technisch begnadeter Rapper noch ein guter Geschichtenerzähler war, ist Authentizität nun mal die wichtigste Währung, in der sich seine Kunst bemisst. Wenn die aber flöten geht, bleibt nur mehr das Pathos übrig.

Also lässt er einen Männerchor „erhabene Momente für die Ewigkeit“ besingen, beschreibt Suizidgedanken, zitiert aus der Bibel, reimt „keine Ahnung“ auf „Mahnung“ und verkündet, er schreibe seine Texte „unter vielen Tränen“. Dazu stampfen die Beats schwerfällig, während im Hintergrund eine Schweinerock-Gitarre ihr dudelndes Unwesen treibt. Das Beste daran ist, dass man weiß, dass so ein Kater irgendwann auch wieder vorbei geht. Dieser hier dauert 52 Minuten und elf Sekunden.

„Geteiltes Leid 3“ von Mose Pelham ist erschienen auf 3p/Columbia/Sony Music.