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Frickeljazzrockchaordisch!

 

Die 28-jährige Monika Roscher aus Franken spielt großartige Pink-Floyd-Gitarrensoli. Aber noch besser ist ihr neues Big-Band-Projekt.

© Kerkau Promotion

Die wirklich praktischen, erhellenden, also zielführenden Begriffe fortgeschrittener Musikanalyse, sie stehen einfach nicht im Duden. „Frickelig“ etwa zur Beschreibung komplexer Verschachtelung digitaler Klangelemente. Oder „rockig“, zur Darstellung des genauen Gegenteils eher analogen Krachs für schlichte Gemüter. Und auch dieser hier fehlt: „Chaordisch“, ein sogenanntes Kofferwort, das der Kreditkarten-Tycoon Dee Hook vor 20 Jahren erfand, um die fruchtbare Koexistenz von Chaos und Ordnung in seinem Biz zu verdeutlichen. Dass er damit auch der Musikanalyse einen Gefallen tut, konnte der Wirtschaftsboss ja nicht ahnen.

Ist aber so. Denn wie sonst könnte man das Big-Band-Projekt der fränkischen Gitarristin Monika Roscher und ihrer 17 überwiegend blechblasenden Kollaborateure treffender beschreiben – Indie-Jazz, Orchester-Pop, Psycho-Mariachi, Hazy-Osterwald-Punk oder alles zusammen? „This shit is berserk„, wie Thees Uhlmann beim Erstkontakt ausgerufen haben soll, träfe es vielleicht schon ganz gut. „Chaordisch“ trifft es aber eben doch am besten.

Denn Monika Roscher, ganze 28 Jahre jung und doch bereits zu den graumeliertesten Pink-Floyd-Gedächtnis-Gitarrensoli fähig, fusioniert auf ihrem famosen Debütalbum die Geschmeidigkeit aller Elemente zeitgenössischen Pops mit dem nostalgischeren Jazz, wie man es selten zuvor gehört hat. Und ihre Band hilft dabei so versiert, dass Failure in Wonderland eine nie gekannte Ordnung ins Chaos widerstreitender Genres bringt. Oder Chaos in die Ordnung, je nach Perspektive. Am Ende der guten Stunde chaostheoretischer Formsuche darf sich die Vertracktheit mal orchestralen, mal loungigen Free-Jazzes jedenfalls versöhnt fühlen mit durchaus geschmeidigem Alternativesound.

Schon das Titellied spielt dieses vertikale (Un-)Ordnungsvorhaben gleich zu Beginn auf horizontaler Ebene durch. Wie das dräuende Unheil eines Psychothrillers mündet der gemächliche Gestus von Björk mit einer engelsgleichen Stimme à la Lali Puna jede Sekunde etwas tiefer ins Crescendo der dreizehnköpfigen Bläserabteilung mit Rhythmsection plus Rechnerbegleitung – und wieder zurück, allerdings erst im zweiten Track Future3, wo das Ganze wieder von vorne beginnt, einen Schlenker zum Metal macht, Rückwärtsgang zum Jazz. Und so weiter. Und so fort.

Hört man diesen Parforceritt zwischen Struktur und Durcheinander Stück für Stück, erinnert Failure in Wonderland an einen Soundtrack. Erst vertont er die wirre Handlung eines Lars von Trier, dann etwas noch Düstereres der Marke David Lynch, macht zwischendurch Halt bei Aki Kaurismäki, immer neben der Spur, nie ganz im Straßengraben.

Diese Irrfahrt ist ein kleines Wunder, geordnetes Chaos eben, mit einem konkreten Ziel: „Die Spannung zwischen Harmonie und Disharmonie aufrechtzuerhalten“, wie Monika Roscher es ausdrückt. Ohne Hilfe des Dudens könnte man es frickelrockigchaordischen Indiejazzorchesterpoppsychomariachipunk von Hazy Osterwald nennen. Nichts zum Nebenbeihören, einfach grandios.

„Failure in Wonderland“ von der Monika Roscher Big Band ist erschienen bei Enja Records.