Vor zwölf Jahren haben The Strokes ihr eigenes Rockgenre begründet. Viel ist nicht mehr davon übrig, wie das traurige neue Album zeigt.
So ist das nun mal mit jenen, die ein neues Untergenre im alternativen Mainstream schaffen: Eher früher als später werden sie daran gemessen, ob ihr Werk auch noch die reine Lehre vertritt, ob die Wurzeln nicht verkümmert sind, ob es authentisch ist und bleibt. Man könnte das Vorbildfunktionsdilemma nennen.
In diesem Sinne darf Jil Sander ihren minimalistischen Sackkleidern niemals die allergeringste Applikation beifügen, in diesem Sinne sollte sich Quentin Tarantino Filme ohne jegliches Gemetzel verkneifen, in diesem Sinne malt Daniel Richter besser keine figürlichen Miniaturen. Und in diesem Sinne sollten The Strokes stets präzise salopp in die Saiten dreschen, statt sich in poppiger Selbstgenügsamkeit zu weiden.
Denn seit ihrem furiosen Debütalbum Is This It vor auch schon zwölf Jahren steht die lässige Band aus New York City für einen Stil, der unter Eingeweihten zur Gattungsbezeichnung wurde: Stroke Rock, eine nonchalante Spielart von Indie, Brit, Garage. Ziemlich roh und dennoch pointiert, mit hintergründigen Punk-Attitüden, aber ohne dessen vulgäre Schlichtheit.
Mit dieser Art Rock’n’Roll-Chanson ernteten auch die Nachfolgealben zwar nicht das große Lob prinzipientreuer Feuilletonisten, aber kommerziellen Erfolg in Reihe und selige Fans, die den Strokes sogar den zunehmenden Wave-Einfluss ihrer zwei letzten Platten verziehen haben. Nun aber, auf Nr. 5, wird es selbst für Hartgesottene doch haarig.
Comedown Machine mag ja mit zwei Handvoll schreienden Gitarren starten, die das kontrollierte Geschrammel früherer Tage erhoffen lassen – kaum ist die letzte Rückkopplung im Eröffnungsstück Tap Out verhallt, da scheinen die fünf Ostküstenwohlstandskinder wegzunicken und liefern fortan synthetischen Resterampenrock mit Hippiestimme, ein Abkömmling von New Order auf zu starkem Gras, das eher sediert als inspiriert.
Und so geht es weiter. Nach einem zweiteiligen Eigenretro-Intermezzo, wo Julian Casablancas‘ nölige Hipsterstimme in All The Time kurzzeitig wie früher über Nick Valensis Gitarrenriffs hallt, die auch im zwischenbeschleunigten One Way Trigger nochmals nach Gitarrensoli (oder umgekehrt) klingen, verseift das Ganze zusehends.
Welcome To Japan? Viel Huhuhu zum Slapping, dessen Eastcoast-Schnodderigkeit in Westcoast-Harmoniesucht mündet. 80’s Comedown Machine? Selbst die urbane Melancholie von einst wirkt hier seltsam wächsern. Slow Animals? Chances? Happy Ending? Gar das sülzige Call It Fate, Call It Karma zum Schluss? Würde der schicke Model-Spross Casablancas nicht wenigstens auf dem leidlich genregemäßen 5050 ins digitale Megafon rufen, man wähnte sich bisweilen auf einer angestaubten Platte von The Verve.
All dies macht Comedown Machine nicht unbedingt zu einem schlechten Album, es macht es aber zu einem hohlwangigen, irgendwie halbherzigen, jedenfalls irrelevanten Album, als würden The Strokes schon wollen, aber einfach nicht mehr können, als wäre das Pulver verschossen. Stroke Rock ist tot. Alt ist er nicht geworden.
„Comedown Machine“ von The Strokes ist erschienen bei Sony.