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Glück in hingetupften Tönen

 

Es gibt wohl Schlimmeres, als mit Cat Stevens verglichen zu werden. Sam Beam alias Iron & Wine begrüßt mit seinem neuen Album gut gelaunt den Frühling.

© Craig Kief
© Craig Kief

Muss sich Sam Beam Gedanken machen? Die Musik, die er als Iron & Wine herausbringt, wird immer öfter verglichen mit Protagonisten der Popmusikgeschichte, die einen, sagen wir mal, nicht ganz unumstrittenen Ruf genießen. Das neue Album Ghost On Ghost erinnert den Rezensenten des deutschen Rolling Stone etwa an 10cc und Paul Simon. Man darf nur hoffen, dass Beam kein Deutsch versteht, er hat wahrscheinlich noch den Schock zu verdauen, den ihm das amerikanische Mutterblatt vor zwei Jahren bereitete. Dem war zum Vorgängeralbum Kiss Each Other Clean vor allem eine Referenz eingefallen: Cat Stevens.

Es gibt sicherlich Schlimmeres. Aber dort, wo Sam Beam herkommt, aus dem tiefsten Texas nämlich und aus dem alternativen Country, da sieht ein ehrenvoller Vergleich doch anders aus. Da der bärtige Beam aber bislang noch niemanden auf die Straße vor den Saloon gezerrt hat, um ihn zum Duell zu fordern, darf man vielleicht davon ausgehen, dass er so unglücklich nicht ist mit den Vergleichen. Oder, um den kompletten Refrain des schönsten der vielen sehr schönen Songs von Ghost On Ghost zu zitieren: Joy.

Dieses Joy hört sich natürlich ganz anders an als das „Enjoy“, das Jürgen Klopp in einer Fernsehwerbung aufdringlich herausbelvert. Bei dem ansonsten eigentlich recht sympathischen Fußballtrainer klingt das, als könnte man erst im Takt von Peitschenhieben richtig „genießen“.

Die Freude, die Sam Beam besingt, ist dagegen ein sanftes, zerbrechliches, demütiges Glück, dem man nur mit vorsichtig hingetupften Tönen gerecht werden kann. Dazu hat er sich einige der besten verfügbaren Musiker eingeladen wie Doug Wieselman, der sonst die fragilen Klanggebilde von Antony & The Johnsons arrangiert, Mitglieder der Jazz Passengers oder Leute aus dem Umfeld von John Zorn, die aber nur einmal avantgardistisch ausfallend werden dürfen, ansonsten wohldosierte Jazzharmonien beisteuern.

Rootsrocker sind sie aber allesamt nicht. Nun hüpft also der Bass, als wollte er den Frühling begrüßen, und kurze, exakte Bläsersätze gehen in die Beine. Dazu singt Beam, wie erlösend es ist, wenn man als Topf seinen Deckel gefunden hat, oder er forscht nach Spuren der Vergangenheit. Die zwar melancholische, aber leichtfüßige Musik nimmt selbst solchen Exkursionen alle Dramatik. Und wenn gar nichts mehr hilft, dann singt ein Background-Chor sein verträumtes Baba und Huhu.

Tatsächlich wirkt die gute Laune, die Beam neuerdings versprüht, etwas suspekt. Zumindest im Vergleich zu den düsteren Moritaten, mit denen Iron & Wine zu Beginn der nuller Jahre bekannt wurden. Aber erstens ist diese Entwicklung auf den nun fünf Studioalben logisch nachzuvollziehen. Und zweitens ist die ganze Freude dem guten Herrn Beam, seiner Frau und ihren fünf Kindern ja auch zu gönnen.

Da kann man es wohl sogar aushalten, möglicherweise gar rechtfertigen, mit Cat Stevens verglichen zu werden. Aber 10cc, das geht natürlich gar nicht.

„Ghost On Ghost“ von Iron & Wine ist erschienen bei 4AD/Beggars Group/Indigo.