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Man fühlt sich durchdrungen

 

The National sind immer ein bisschen besser als erwartet. Auf dem neuen Album „Trouble Will Find Me“ findet der großartige Sänger Matt Berninger ganz zu sich selbst.

© Deirdre O'Callaghan
© Deirdre O’Callaghan

Plattencover sind oft ziemlich selbstgefällig. Weitgehend abgekoppelt vom musikalischen Inhalt, transportieren sie vielleicht einen verbrämten Gestus der Künstler dahinter, das artifizielle Konzentrat dessen, was der gewünschten Aura entspricht, im Idealfall gar einen Link ins Genre, wovon all die Monster im Metal ebenso zeugen wie Autos, Weiber und Bling Bling im Rap. Visueller Austausch mit dem Akustischen jedoch, eine Art Interaktion zwischen Bild und Ton ist – zumal im Zeitalter von CD und Download – überaus selten. Umso mehr lohnt sich ein Blick aufs neue Cover von The National.

Auf Trouble Will Find Me nämlich steckt eine Frau ihren Kopf rücklings halb durch eine Spiegelwand und blickt uns linkisch mit einem Auge an, kaum spürbar, aber durchdringend wie die gesamte Kameraüberwachung am JFK-Airport. Die Farbe ist Schwarzweiß, das Ambiente düster, der gekachelte Raum kühl, fast klinisch, man fühlt sich nicht nur beobachtet, man fühlt sich durchdrungen, ohne genau zu wissen, warum. So in etwa funktioniert auch das Indierock-Quintett aus New York, so funktioniert erst recht ihr sechstes Studioalbum.

Denn mehr noch als auf den fünf vorherigen, mehr auch als auf Alligator von 2003, dass in kaum einer Liste der besten Alben des Jahrhunderts fehlt, oder High Violet, kommerziell am erfolgreichsten, dringt Trouble Will Find Me irgendwie aus dem Unsichtbaren ins Gehirn, macht sich dort breit, verschwindet wieder, hinterlässt aber Spuren wie auf einem Kontrollvideo in der Abflughalle. Und das liegt aufs Neue an Matt Berninger – dem Gründer, Kopf, Gesang von The National.

Seine weiche, hintergründige Stimme, gern ehrfürchtig als Bariton umschrieben, gräbt sich Stück für Stück tiefer ins Gemüt, um nach dem 13. wie ein wohlschmeckendes Mahl in einem höchst befriedigten Magen zu hocken und dort zu bleiben, bis der Hunger wiederkehrt. In I Should Live In Salt zum Auftakt schafft er das noch mit der lässigen Nonchalance eines Bryan Ferry, im nachfolgenden Demons verfällt der Text in den erzählerischen Duktus von Lou Reed, spätestens im wunderschönen Don’t Swallow The Cap aber landet Matt Berninger völlig bei sich selbst, dieser unvergleichlichen Fähigkeit, subkutan zu klingen und doch vordergründig, zurückhaltend und dabei ungeheuer präsent.

Das dringt um die Ecke ins Herz wie der Blick auf dem Cover, es erwischt einen beim Zuhören genau in dem Moment, da man denkt, das sei bloß eine weitere Popband mit Niveau von der Westküste, gefällig, aber durchhörbar wie Adam Green mit all den Klavierflöckchen, dem reduzierten Schlagzeug, seltenen, doch unerlässlichen Gitarrensoli, dieser geschmeidigen Gesamtkonstruktion. Dann aber kommt irgendwann gen Ende das traumwandlerische Slipped, Berninger erzählt uns darin „I’ll be a friend, a fuck, an everything / but I’ll never be, I think / you ever want me to be“ und behält recht: The National sind von Singer-Songwritern über Poptitanen bis Alternativerockern und Schnulzenschreibern alles Mögliche, nur nicht das, was zu erwarten wäre. Sondern immer ein bisschen besser.

„Trouble Will Find Me“ von The National ist erschienen bei 4AD.