Ist das bloß wieder Debattenstoff für Dubstep-Nerds? Mount Kimbie bringen das Beste aus Pop und Techno zusammen und machen die Suche nach dem Beat zum Erlebnis.
Es liegt ein Rascheln und Rauschen in der Luft, ein Flirren und ein Sirren, wenn Mount Kimbie ihre komplexen Klangkaskaden aus den Boxen wedeln wie weißes Rauschen in den Kopf. Gut, könnte man nun meinen, so klingt abstrakte elektronische Musik nun mal öfter, wenn sie sich der klaren Liedstruktur verweigert und lieber im unerschöpflichen Kosmos rechnerischer Tongenese jenseits von Strophe, Bridge und Chorus herumreist.
Das technoide Crescendo der beiden Londoner Soundtüftler, denen irgendein Marketingexperte in Ermangelung zutreffender Genrezuordnungen ein schickes „Post-“ vor den Dubstep geklemmt hat, wirkt folglich sonderbar sphärisch, irgendwie nicht im eigenen Studio entstanden also, mehr aus den Ritzen all der anderen ringsum hineingeweht und sodann verwoben, dekonstruiert, erneuert. Entstanden ist daraus eine Art taktloses Vexierbild, ein kleiner Betrug am Hören.
Das getragene Durcheinander von Mount Kimbie kann also nur teilweise als Popmusik im engeren Sinne bezeichnet werden. Hier ist ja nirgends Struktur zu entdecken, bestenfalls eine Andeutung dessen, wie auf halber Strecke verirrt. Und dann erscheint der Nachfolger des mächtig gefeierten Debütalbums Crooks & Lovers auch noch beim abseitigen Label Warp, zuständig für alles Vertrackte, Verschlossene, Verwirrende. Klare Sache also: Cold Spring Fault Less Youth ist bloß ein Experiment. Debattenstoff für Nerds, Designerdroge für die Nische. Nix für die Masse?
Mount Kimbie – Made To Stray
Ja und Nein. Denn Kai Campos und Dominic Maker, Mount Kimbies Nischennerds mit den traurigen Augen, schaffen es zwei Jahre nach dem Schritt ins Scheinwerferlicht ihrer Szene abermals auf magische Weise, das Nichts zum Etwas zu erheben und aus dem Chaos wild vermischter Töne ein Album zu komponieren, das beides ist: Techno und Pop, das Beste aus zwei Welten. Nichts für die Disco, Überschaubares für den Dancefloor, aber zum Wippen, Nachspüren, Mitdenken, Schwingen wunderbar.
Es beginnt schon mit dem geruhsamen Home Recording zum Einstieg, dessen Orgeln in eine Art vokalisierten Electrowave rauschen. Es geht weiter mit dem drastisch reduzierten Hip-Hop-House You Took Your Time, dem King Krules souliger Begleitrap eine organisierte Ebene unterjubelt, ohne dass ein Song draus würde. Es setzt sich fort mit Break Well, anfänglich eher Ambient, bald nachdrücklich elaborierter Pop für Anspruchsvolle. Oder einige Minimalismen später Meter, Pale, Tone, wieder mit King Krule am Mikro, mehr aber noch das darauf folgende Slow: Überall muss man den Takt suchen, erforschen. Wer ihn findet, gar entschlüsselt, darf erleben, dass Musik fast körperlos daherkommen kann. Dass sie unterstützt von Gitarre, Keyboards, Percussion und live sogar richtigem Schlagzeug allerdings eine digitale Substanz entfaltet, fast wie die gute alte Analogie. Cold Spring Fault Less Youth überwindet da Welten. Interplanetare Klangverständigung – ihr Name sei Mount Kimbie.
„Cold Spring Fault Less Youth“ von Mount Kimbie ist erschienen bei Warp.