Noch ein junger Pop-Rapper im Gefolge von Casper und Cro: Muso nutzt den Reim nicht akrobatisch, sondern dramaturgisch. Vielleicht ist das die neue deutsche Hip-Hop-Schule.
Dem deutschen Hip-Hop, im öffentlichen Empfinden allzu lange auf Spaßrap von Fanta 4 bis Fettes Brot festgelegt, kann man eines sicherlich nicht nachsagen: dass er so stillstehe, wie der amerikanische bisweilen den Anschein erweckt. Gerade in der jüngsten Zeit ist da gehörig was in Bewegung. Alte Stile variieren, neue Künstler reüssieren. Der Schauspielersohn Robert Gwisdek hebt den Sprechgesang als Käptn Peng mit seinen Tentakeln von Delphi seit Kurzem auf ein zutiefst lyrisches Niveau. Casper dagegen hievt ihn in den Pop hinein, was der Maskenkasper Cro gleich zum Genremix Raop erklärt, während ein McFitti von Berlin aus den Spaß Richtung Dada überdreht.
Sie alle definieren ihren Hip-Hop jenseits der alten Gangster-, Fun- und Consciousness-Grenzen, picken sich von der Kultur ringsum bloß noch den Sound heraus und werden damit bis tief in den Mainstream wahrgenommen. Es wächst also etwas hinein, in die Mehrheitsgesellschaft. Und dann wäre da ja noch Muso. Geboren als Daniel Giovanni Musumeci nahe der Schweizer Grenze, hat der halbharte Junge aus prekären Verhältnissen weithin hörbar eine Lücke gefüllt, die bislang bestenfalls im Untergrund besetzt war.
Es ist so etwas wie die Melodramatik im Hip-Hop, stilistisch angesiedelt irgendwo zwischen dem frühen Eminem und Plan B, als der noch keinen Soul machte. Wütend klingt sein erstes echtes, nach einer Platte im Selbstverlag vor sieben Jahren also gewissermaßen Debüt-Album, aber es will niemanden erschrecken wie einst Aggro Berlin. Gefühlig wirkt es, jedoch nie larmoyant oder süffig. Gereimt wird darauf reichlich, nicht allerdings als Akrobatik, sondern als dramaturgische Komponente unter vielen.
Produziert im Umfeld des Heidelberger Karlstorbahnhofs um den Sizarr-Macher Markus Ganter, erzählt der Mittzwanziger von all den Kreisstadt- und Metropolenverwerfungen eines kurzen Lebens. Aber er tut es nicht in der selbstreferenziellen Sprachverliebtheit mancher Wortendungsjongleure seines Fachs. In der grandiosen Videoauskopplung Garmisch Partenkirchen etwa chort es zwar einfallsreich „Halt mal Händchen / Alphamännchen“ und auf den Titelslogan Wachturm folgt Kratzspuren, aber das sind eher Accessoires als Wesenskerne. Muso sucht keine Pointen, sondern Abschlüsse. Er untermalt lieber seinen kreativen Sound mit Begriffen als Wortkaskaden mit sich selbst.
Vielleicht ja, weil seine Stimme in ihrer schnarrenden Dezenz zwar lässig klingt, aber nicht gerade einprägsam. Wahrscheinlicher jedoch, weil ihm bei all der Mitteilsamkeit tonale Spielerei besonders wichtig erscheint. Da dräuen unter Malibu Beach stille Break Beats oder Mönchsgesänge hinter Die Alte Ruine, da kleidet sich Sieben im Achtziger-Wave, Alles Sofort in eine rohe Art R’n’B und das abschließende All Eyes On You in handfeste Neodisco. Ständig überrascht Muso musikalisch so, dass der Gesang nicht um sich selbst zu kreisen braucht. Umso mehr Wirkung erzielt er inhaltlich. Man möchte dem einfach unentwegt zuhören. Lagerfeuerrap ohne Breakenscratchensprühen. Vielleicht ist das die neue Hip-Hop-Schule.
„Stracciatella Now“ von Muso erscheint am 12. Juli bei Chimperator.