Bisher galt Mayer Hawthorne als weiße Stimme des Bettkanten-Soul. Pharrell Williams hat ihm nun den Druck von Hip-Hop und Funk beigebracht: „All killer, no filler“.
Zwei Statements gehören zum leidigen Standardrepertoire von Musikern. „Mein neues Album ist mein bestes, weil ich zum ersten Mal machen konnte, was ich wirklich wollte.“ Und: „Ich wollte eine Platte aufnehmen, die in keine Genre-Schublade passt.“
Mayer Hawthorne sagt beides über How Does This Door Go, sein drittes Album. Und man stellt zerknirscht fest: Er hat auch noch recht mit dem Blödsinn.
Bisher war der blasse Junge aus Michigan der Crooner jenseits der Soulklischees: weiß, brav und ohne Vergangenheit im Gospelchor. Kopfstimme und love making music füllten die bisherigen beiden Alben. In seiner ersten Single Just Ain’t Gonna Work Out von 2008 flötete er seinem Mädchen entgegen, dass es halt einfach nicht mehr funktioniert mit ihr. Sorry, locker bleiben. Kein Grund, sich aufzuregen. Umschmeichelt von so viel Entspanntheit muss das auch die Besungene verstanden haben.
Andrew Cohen, wie Mayer Hawthorne mit bürgerlichem Namen heißt, wurde fortan als Neo-Motown-Kid gefeiert. Wahlweise als der neue Smokey Robinson oder die Reinkarnation von Curtis Mayfield. Für sein zweites Album wechselte er von Stones Throw Records zu Universal, vom Nischenlabel zum Major. Es ging zunächst weiter wie gewohnt: Auf How Do You Do spielte Hawthorne die Instrumente selbst ein, komponierte, produzierte und sang.
Nun, mit seinem dritten Album, wird der Grund des Label-Wechsels überdeutlich. Die Self-Made-Masche war bloß eine aus der Not geborene Tugend, muss man vermuten. Für Where Does This Door Go leistete sich Mayer Hawthorne Studiomusiker und widmete sich selbst ganz dem Storytelling und der Produktion. Dazu hat er sich einen Meister an seine Seite geholt: Pharrell Williams, 40, noch immer gesegnet mit dem unerschöpflichen Spieltrieb eines Kleinkinds. Ein Mann, der Kritiker und hörende Masse gleichermaßen verzückt. Und zuletzt Daft Punk und Robin Thicke nacheinander zu Nummer-eins-Hits verhalf.
Pharrell Williams schubst den Bettkanten-Soul zurück ins Kissen und weckt einen druckvolleren Sound. Angefangen hat Mayer Hawthorne als Hip-Hop-Produzent, How Does This Door Go klingt wie die Wiederentdeckung der alten Liebe. Die Beats sind härter als zuvor, und es wird mit einer Hingabe auf dem Vinyl gekratzt, als sei die Technik gestern erst erfunden worden. Dreckige Hip-Hop-Tracks, R’n’B-Balladen, glucksende Bässe und Funkgitarren ersetzen einheitliche Schmusigkeit. Hawthornes musikalischer Wandel geht mit dem äußerlichen einher: Da wuchert ein Bart im Milchgesicht des Mittdreißigers, die Nerd-Brille hat er gegen den N.E.R.D-Sound eingetauscht.
Hawthorne war gut beraten, sich nicht mehr bloß auf seine Stimme zu verlassen, denn sie trägt kein ganzes Album. Die musikalischen Wechsel fangen diesen Makel auf. Neben Williams und Hawthorne saßen Greg Wells, Jack Splash und Oak im Produzententeam – fünf Männer, die gemeinsam aus so ziemlich jedem Musikgenre schöpfen.
Pharrell Williams ist dabei Erster unter Gleichen. Dass er ein Gespür für gute Songs hat, muss er nicht mehr beweisen. Er tut es trotzdem. In Form der anschmiegsamen Piano-Pop-Hymne Reach Out Richard mit ihren simplen, aber teuflisch eingängigen Akkorden. Ein Song über Hawthornes Vater, über die Dankbarkeit und das Erwachsenwerden.
The Kid’s Alright heißt es immer wieder im Refrain, beruhigend wie ein Mantra. Der Schreibprozess sei ihm wie eine Psychoanalyse vorgekommen, erinnert sich Hawthorne. Williams habe ihn dazu gebracht, tiefer und tiefer in die Vater-Sohn-Beziehung vorzudringen. „Du bist noch nicht fertig“, hat er immer wieder gesagt, bis die ganze Geschichte aufgeschrieben war. Aber wer hätte daran gezweifelt, dass auch dies zu den Stärken eines Pharrell Williams zählt?
Zum ersten Mal hat Hawthorne mehr Songs produziert, als auf ein Album passen. 45 Songs waren fertig, als die Tracklist stehen musste. „Ich wollte mein persönliches Thriller„, sagt er über den Auswahlprozess. Das Album, das man bei seiner eigenen Party auflegt. Auf dem jeder Song ein Hit ist. „All killer, no filler.“ Noch so eine hohle Phrase. Und wieder hat er recht.
„Where Does This Door Go“ von Mayer Hawthorne ist erschienen bei Republic/Universal.