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Hittiger geht’s nicht

 

Elegant wie ein Zwölftonner rauschen Icona Pop in Richtung Charts. Mit simpler Bollerigkeit hauen die beiden Schwedinnen immer schön auf die Eins, da kann jeder Körperklaus mitmachen.

© Frederik-Etoall
© Frederik-Etoall

Das Ding hat „Hit“ auf der Stirn eingebrannt. Hit. Hit. Hit. Die Sorte Hit, die es eigentlich gar nicht mehr gibt, seit schon alles gesagt, alles gespielt, alles produziert wurde. Die Sorte, die so einfach gestrickt ist, dass jeder ehrliche Musikant vor sich selbst erschrecken müsste. Die Sorte also, die sich eigentlich nur noch Scooter trauen. Einen Hit, wie er hittiger nicht mehr geht, weil man ihn schon beim allerersten Hören mitsingen kann. Und jetzt alle zusammen: „I don’t care! I love it!

Yeah. Scheiß drauf, scheiß auf alle, kümmert mich nicht und Spaß dabei. Dazu donnert es immer schön auf die Eins, dass noch der letzte Körperklaus den Kopf schütteln kann. Eigentlich ist das Punkrock, auch wenn Icona Pop im weiteren Verlauf ihres bislang größten Erfolgs noch meinen, der Welt mitteilen zu müssen, dass sie mitnichten aus den siebziger Jahren stammen, sondern es sich bei ihnen um „Schlampen aus den Neunzigern“ handelt.

In diesem Jahrzehnt haben Caroline Hjelt und Aino Jawo jedenfalls ihre Kindheit verbracht. Auch in Stockholm, wo die beiden aufgewachsen sind, wurde damals offensichtlich die Rave-o-Lution gefeiert – und das haben wir jetzt davon. Überall auf der Welt nutzen junge Menschen den nötigen Abstand zur ersten Techno-Generation und die schönen modernen Geräte, mit denen man Musik aufs letzte Bit ausrechnen kann. Am allerliebsten, um aus Electro oder Punk eine essenzielle, aber nicht grundlegend neue Boller-Mucke zusammenzuschrauben.

Das ist so eingängig, so platt, so offensichtlich auf Effekt hin konstruiert, dass man sich wundern muss, dass das Debütalbum Icona Pop trotz des Erfolgs der Single I Love It in den Charts ihrer schwedischen Heimat nur bis auf Platz 55 klettern konnte. Nun, mit dem zweiten Album This is… Icona Pop, sollen gleich die Großraumdiskotheken der ganzen Welt erobert werden.

Ohne das Flagschiff I Love It, das das neue Werk eröffnet, wird das natürlich nichts mit der Weltherrschaft. Aber zugegeben: Den beiden Schwedinnen, die mittlerweile aus Gründen des Karrierefortschritts in Los Angeles leben und auf dem Cover des neuen Albums nicht viel am Leibe tragen, gelingt ein erstaunliches Kunststückchen. So einfältig die Beats auch immer knallen, so austauschbar das Knarzen aus dem Sampler auch sein mag und so unerbittlich Hjelt und Jawo auch ihre Vokalparts herausbrüllen: Tracks wie All Night oder Ready For The Weekend, das mit der ausgiebigen Nutzung des unvermeidlichen Autotune-Effektes glänzt, entwickeln dann doch eine gewisse Eleganz.

Okay, es ist die Eleganz eines Zwölftonners, der in einer Kurve aus der Spur getragen wurde und sich gerade im freien Flug in den Abgrund befindet. Icona Pop können die Landung immerhin lange hinauszögern, erst in der zweiten Hälfte des Albums wird die Masche dann doch zu langweilig, und die erschreckend eintönige Ballade Just Another Night hätten sie sich ganz sparen können.

Aber in der Welt von Icona Pop, in der Welt, in der es noch den simplen Smash-Hit gibt, ist das kein Totalschaden, nicht einmal ein Betriebsunfall. So wie die Helden des des Bubblegum-Pop, die drei, vier Platten pro Jahr herausbrachten, auf denen ein Hit mit haufenweise Füllmaterial ergänzt wurde, wissen Icona Pop: Wichtig ist bloß eins. Hauptsache Hit.

„This is… Icona Pop“ erscheint am 8. November bei Warner Music.