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Zwei mit einer Stimme

 

Mathew Caws von Nada Surf und seine Projektpartnerin Juliana Hatfield schmiegen sich wunderbar aneinander. Einfühlsamer als Minor Alps war zwischen Rock und Folk schon lange nichts mehr.

© Ye Olde Records
© Ye Olde Records

Zweistimmigkeit ist aus mehreren Gründen ein beliebtes Stilelement des Pop. Oft ist die Dopplung am Mikrofon ein probates Mittel, um gesangliche Schwächen zu übertönen. Bei Virtuosen hingegen bringt die zeitgleiche Intonation des identischen Textes zwei Stimmen zusammen, die allein womöglich nicht die gleiche Wirkung erzielten. Und dann wären da noch Liebespaare, Freundeskreise, Hippies, die wesensmäßig lieber die Summe ihrer einzelnen Teile bilden, als Einzelkämpfer zu spielen. Kurzum: Ganz gleich, ob Simon & Garfunkel, Cindy & Bert, Tegan & Sara oder The Mamas and The Papas – meist vereint sich da etwas zu einer Einheit, dessen singuläre Bestandteile hinterm Produkt verschwinden.

Bei Minor Alps ist das anders.

Die zwei versierten Multiinstrumentalisten Mathew Caws und Juliana Hatfield singen auf ihrem gemeinsamen Debütalbum Get There zwar unablässig lippensynchron. Von Beginn an jedoch klingt das Ergebnis nicht nach Duett, sondern nach Solo. Oder besser noch: beide Tonlagen verhalten sich derart anschmiegsam zueinander, dass oftmals schwer zu erkennen ist, ob da überhaupt zwei getrennte Lungen tätig sind. Von Frau oder Mann zumal.

Caws ist Frontmann des New Yorker Alternativerocktrios Nada Surf, seine neue Projektpartnerin Hatfield hat mit wechselnden Besetzungen wie den Blake Babies in 20 Jahren mehr als zwei Dutzend Indieplatten veröffentlicht. Sein geschmeidiges Timbre passt zu ihrem wie die Saiten zum Klangkörper ringsum.

Harmonischer, betörender, einfühlsamer war schon lange kein Pop mehr, der sich so spielerisch zwischen Rock und Folk verortet. Robuste Gitarren werden durch schmissige Stücke wie I Don’t Know What To Do With My Hands oder Far From The Roses gejagt, verschwimmen zwischendurch in anderen Songs allerdings immer wieder in flüchtigem Minimalismus. Wenn sich Titel voller Sehnsucht mit solchen voller Dynamik abwechseln, klingen Minor Alps, als hätten sich die seligen America mit The Band und Iron Butterfly im Hightech-Studio getroffen. Als würden die Blumenkinder wieder nach San Franzisko strömen, dabei aber modernere Drogen nehmen, die auch instrumentell zu Höchstleistungen antreiben.

Eingespielt im bandeigenen Brooklyner Studio, gemischt vom gemeinsamen Kumpel Tom Beaujour, elektronisch und rhythmisch unterstützt von Parker Kindred (Antony and the Johnsons) sowie Chris Egan (Computer Magic), machen Mathew Caws und Juliana Hatfield praktisch alles selbst. Ein Zweipersonenorchester mit ausreichend Empathie fürs gefühlige Genre, dessen Folkpop sich angenehm durch die Kakophonie des Alltags schlängelt. Keine Neuerfindung des Flower Power, keine stumpfe Neuauflage alter Zeiten. Einfach zwei Stimmen, die klingen wie eine und für drei unterhalten.

„Get There“ von Minor Alps ist erschienen bei Ye Olde Records.