Der Folkpop von Damien Jurado klingt, als wären Crosby, Stills, Nash & Young jetzt in ihren besten Jahren. Leider wird man mit sowas heute nicht mehr berühmt. Aber wer weiß.
Es gibt Musiker, von denen man irgendwie schon gehört zu haben glaubt; mit einem Gesicht, das aussieht wie das dieses bekannten Schauspielers; der klingt wie, ja, wie hieß er noch gleich …? Es gibt also Musiker, die sind wie Schlossgespenster: uralt und flüchtig, voller Historie, aber nicht recht existent.
Sixto Rodriguez war so einer, der weltberühmte Sugar Man, den dennoch fast niemand kannte. Oder eben Damien Jurado, einer der umtriebigsten Songwriter unserer Zeit, hochproduktiv, sehr kreativ. Stolze zwölf Alben hat er seit 1997 gemacht und insgesamt wohl mehr Kollaborationen, Singles, Projekte, als sein offenbar reifes Leben Jahre hat. Trotzdem nie gehört? Kann schon passieren.
Damien Jurado mag auch nach einem Vierteljahrhundert auf den abseitigen Bühnen der Independentwelt noch immer als Geheimtipp gehandelt werden, tendenziell aber einfach den meisten völlig unbekannt sein – der Grundschullehrer aus Seattle, von dem sich in den einschlägigen Foren nicht mal das Alter findet, ist ein Tausendsassa der unterschwelligen Empathie. Ein rastloses Räderwerk des pathetischen Understatements. Das Beste mithin, was experimenteller Folkwave womöglich zurzeit zu bieten hat – eine Kategorie, die er in gewisser Weise ja allein bespielt.
Dank seiner blutleeren Stimme klingt schließlich auch das neue Album mit dem verstörend esoterischen Titel Brothers and Sisters of the Eternal Son zuweilen, als würde Randy Newman mit den Editors Texte von T.C. Boyle intonieren, als träfe sich die Family of the Year mit Bird Control an Lou Reeds Grab zum Poetry Slam. Nichts an den zehn Stücken voll absurder Namen zwischen Silver Donna, Silver Malcolm und Silver Katherine ist sofort eingängig, aber alles brennt sich ins Unterbewusstsein wie ein dräuender Klosterchoral.
Damien Jurado vermag es, mit einer Mischung aus zu viel Brimborium und zu wenig Nachdruck eine Atmosphäre zu schaffen, die anspruchsvolle Hörer wie in Jericho Road erst ganz kurz abstößt in seiner Seifigkeit, im selben Moment allerdings anzieht wie eine Feuerwerksfabrikexplosion am Horizont. Da flattert das Falsett in Deep-Purple-Manier, da hämmert ständig eine Pauke durchs Szenario, da gibt es Glockenschläge und Geigen und viel, viel Gefühl über der Westerngitarre. Aber, oh Donner: Es wirkt, es ist anrührend, es hat Substanz und bleibt, statt sich rasch wieder zu verflüchtigen wie ein Spuk nach der Geisterstunde.
Auf Brothers and Sisters of the Eternal Son gebiert Jurado seinen Folk mehr, als dass er ihn spielt. Und das erzielt eine Wirkung, die zugleich aufdringlich und subversiv ist. Berühmt wird man mit so was natürlich nie, auch in zwölf weiteren Alben nicht. Die Chance zum Kennenlernen sollte sich aber dennoch keiner entgehen lassen, der schon immer mal wissen wollte, was Crosby, Stills, Nash & Young wohl getan hätten, hätten sie sich vor 25 Jahren gegründet und wären heute in den besten Jahren. So ungefähr könnte es klingen.
„Brother and Sisters of the Eternal Son“ von Damien Jurado ist erschienen bei Secretly Canadian.