Melodiös und kantig, rau und klug: Was Matula aus Hamburg auf ihrem neuen Album zeigen, ist vielleicht kein Punk mehr, aber immer noch junge, zeitgemäße, richtig gute Rockmusik.
Der erste Eindruck: Hier wird am großen Durchbruch gebastelt. Zur ersten Single der Band Matula gibt es ein schickes Video, zur zweiten Bonusdownloads – Facebook statt DIY, Hochglanz statt selbst gemalt. Ganz schön viel Wirbel um das neue Album Auf allen Festen. Im vergangenen Jahr war es dem findigen Renke Ehmcke von Matulas Label Zeitstrafe gelungen, die Band Adolar bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest unterzubringen – hat er Blut geleckt?
Ganz gleich, ob eine Strategie dahintersteckt: Auf allen Festen ist tatsächlich furios genug, all die geweckten Erwartungen zu erfüllen. Eine knappe halbe Stunde, melodiös aber kantig, rau aber nicht banal.
Matula sind vier immer noch junge Männer aus dem seit jeher wohlklingenden musikalischen Schweinegürtel von Hamburg. Vor sieben Jahren veröffentlichten sie ihre erste Platte Kuddel, die war ungeschliffen und brachial, einfach großartig. Irgendwann zwischen damals und heute zog es sie von Neumünster nach Hamburg, so wie es viele andere von Husum und Bremerhaven, Hemmoor und Kiel dorthin zieht. Im Jahr 2010 kam Blinker raus, da hatten sie ihren Sound schon verfeinert.
Und nun wird es noch feiner. Punkrock ist das lange nicht mehr. Sicher, hier und da wird der Schlagzeuger zum Tier, die Aussprache des Sängers ist bisweilen feucht, die Gitarren rasseln hell und klar, der Bass ist unruhig. Doch die unbändige Energie des Debüts ist mittlerweile eingefangen und in einen ganz eigenen Klang verwandelt. Matula verstehen es, Stimmungen und Tempi zu wechseln – Welten liegen zwischen dem bedrückend beiläufigen In einem Krieg, dem energischen Höhepunkt des Albums Kolumbus und dem beschwingten Tapete, da klimpert tatsächlich ein Klavier anstelle der zweiten Gitarre.
Der in Hamburg lebende Fotograf Tim Bruening hat eine, nun ja, hübsche Fotoserie zu Auf Allen Festen geschossen. Pro Lied ein Foto: Hamburg bei Nacht, vor Kneipen, in Kneipen. Der Makler wird hier übersetzt in ein abgerissenes Haus, Auf allen Festen wird mit Fritz-Limo und Pommescurrywurst gefeiert. Die härtesten Türen der Stadt werden – na klar – im Schanzenviertel von Uniformierten bewacht.
Das ist fast ein bisschen viel der Interpretationshilfe, obschon Thorben Langes Songtexte wirklich aufregend sind. Behänd umschifft er die Untiefen des Konkreten und die Klippen der Nostalgie. Wo andere deutsche Rockbands sich in seifig-nostalgischen Liedern von Liebe, Leid und Fußball verheddern, wo sie ihre Heimatstädte, die Kneipe an der Ecke oder runde Erdscheiben besingen, da bleiben die Bezugspunkte von Matula erfreulich vage. Ihre Lieder sind Blitzlichter des urbanen Lebens, abstrakte Situationsbeschreibungen. „Wie lange muss man laufen, bis man weiß, wohin?“, fragen sie, und stellen schließlich lakonisch fest: „Du bist ein Mensch – und die verliern“.
„Auf allen Festen“ von Matula ist erschienen bei Zeitstrafe.