Neneh Cherry kehrt zurück auf die große Bühne. Auf ihrem neuen Album „Blank Project“ kämpft sie mit den Geistern, die sie vor 25 Jahren rief. Und sie gewinnt.
„Das Comeback des Jahres“ ist eine der heikelsten Formulierungen im Popgeschäft. Zurückkommen könnten Foreigner schließlich ebenso wie, sagen wir, Bonnie Tyler, Chris de Burgh oder Toto. Und sehr wahrscheinlich hätte so eine Heimkehr ins Showbiz irgendwas mit Geldsorgen zu tun oder schlimmer noch: Sinnleere. Zurückgekommene neigen nämlich dazu, ihr tradiertes Liedgut besserer Tage mit neueren Stücken zu durchsetzen, die verteufelt nach dem tradierten Liedgut besserer Tage klingen, was zusammengenommen im besten Fall furchtbar klingt, im Regelfall bemitleidenswert.
Es ist also Obacht geboten, wenn eine Künstlerin ihr Comeback feiert, die den Spätgeborenen aus den Jahren ihrer großen Erfolge womöglich kaum noch ein Begriff ist: Neneh Cherry. Fast 18 Jahre nach ihrem bislang letzten Studioalbum bringt das einstige Gesicht des weiblichen Hip-Hops eine neue Platte raus und wird damit ohne Zweifel ein bisschen etwas dazuverdienen. Eines aber kann man der schwedischen Stieftochter des amerikanischen Freejazz-Gottes Don Cherry nicht vorwerfen: Dass es ihr mit Blank Project um so profane Dinge wie Geld gehen könnte.
Allzu viel davon verdient man mit dem sperrigen Neotriphop darauf nämlich nicht – wobei wir beim positiven Aspekt des Comebacks wären. Denn Neneh Cherry, die mit dem virilen Buffalo Stance 1988 ihren Durchbruch feierte und aus den Videocharts der Musiksender fast so lange nicht wegzudenken war, wie dort wirklich Musik gespielt wurde, sie krempelt sich auf ihrem vierten Album in einem Vierteljahrhundert förmlich um. Und zwar so resolut, dass wenig übrig bleibt von Manchild oder 7 Seconds, den sonoren Melodramen ihrer Erfolgsära.
Schon das Auftaktstück Across The Water deutet an, wohin es die Halbschwester des unlängst ebenfalls zurückgekehrten Eagle-Eye Cherry im salomonischen Alter von 50 Jahren treibt: Wie in der Blütezeit, als ihr selbstgewisses Auftreten dem Begriff der Mulattin die rassistische Schärfe nahm und Frauen endgültig im männerdominierten Hip-Hop positionierte, weht viel brüchiger Trotz durch die Stimme.
Aber er lässt sich nicht von eingängigen Harmonien umschmeicheln, sondern bleibt unbegleitet, verletzlich. Bis der darauf folgende Titelsong die Stoßrichtung vorgibt: Durch treibende Breakbeats vermischt sich ihr düsterer Soul da mit fiebrigem Ethnosound, als ringe sie im verrauchten Existenzialistenkeller mit ihrem inneren R ’n‘ B.
Bis zum zehnten Stück klingt Blank Project wie ein Kampf mit den Geistern, die Neneh Cherry rief, und sie gewinnt ihn. Nach langen Jahren des Herumstromerns in den Stilen ihrer Ahnen samt einer bemerkenswerten Freejazz-Kollaboration ab 2010 hat die dreifache Mutter damit zwar nicht gerade den Pop neu erfunden, aber sich selbst einen neuen Platz darin zugewiesen, ohne den alten vollends zu räumen.
Neneh Cherrys Comeback mag nostalgisch an Massive Attack erinnern; ihr wunderbar löchriger Gesang zwischen fein gestreuten Rocksamples und viel Electronica macht es aber doch innovativ. Willkommen zurück!
„Blank Project“ von Neneh Cherry ist erschienen bei Smalltown Supersound.