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Lagebericht aus Compton, Los Angeles

 

Auf seinem neuen Album „Oxymoron“ dokumentiert Schoolboy Q das Leben als Gansterrapper. Es hat das Zeug zum Hip-Hop-Klassiker, der die Brücke zwischen Westcoast und Eastcoast schlägt.

© Top Dawg Entertainment
© Top Dawg Entertainment

Kendrick Lamars good kid, m.A.A.d city gilt schon zwei Jahre nach seinem Erscheinen als eines der besten Hip-Hop-Alben aller Zeiten. Um sich hat Lamar das Black-Hippy-Kollektiv geschart, das den Westcoast-Hip-Hop gerade neu erfindet. Und jetzt kommt Schoolboy Q, auch Mitglied der Clique, mit seinem dritten Album Oxymoron. Wird das wieder ein Klassiker?

Auch Schoolboy Qs Geschichten drehen sich um Los Angeles. Aber während Kendrick Lamar sich für Schilderungen aus der distanzierten Draufsicht entschied, berichtet Schoolboy Q aus der Ich-Perspektive und folglich dicht und atmosphärisch über das Leben in der mA.A.d city. So wird das Album wie schon seine beiden Vorgänger zu einer ungeschönten Compton-Dokumentation, in der Schoolboy Qs Verantwortung als Vater einer kleinen Tochter genauso Platz findet wie seine Gangmitgliedschaft bei den Hoover Crips.

Der Albumtitel Oxymoron meint dabei nicht nur die rhetorische Figur des Gegensatzes, er liest sich auch als Verweis auf das hochpotente Opiat Oxycodon, das der immer noch schwer drogenabhängige Schoolboy Q selbst verkauft hat. Das Stück Prescription/Oxymoron behandelt dieses Thema auf bedrückende Weise. Selbstreflektierende, tiefgründige Momente gibt es auf dem Album allerdings nur wenige. Auch reichen Schoolboy Qs Lageberichte aus dem Herzen L.A.s zu keinem Zeitpunkt an die Cleverness und Poesie von Kendrick Lamar heran. Das wollen sie womöglich gar nicht.

Gleich zu Beginn der Platte bellt Schoolboy Q ein wütendes „Gangsta, Gangsta, Gangsta“ ins Mikrofon und rekurriert nicht ganz ungewollt auf die legendären N.W.A. Denn auch Oxymoron ist ungeschönter und grimmiger Gangsterrap von der Westküste. Natürlich machen hier und da auch angesagte Rapper wie 2 Chainz oder Tyler, The Creator mit. Aber es sind eher Stücke wie Fuck L.A. oder Grooveliner Pt. 2 mit der Westcoast-Legende Suga Free, die an zurückgelehnte G-Funk- und Gangsterrap-Großtaten erinnern und dieses Album zusammenhalten. Einerseits.

Andererseits stolpert man auch immer wieder über düstere, rumpelnde Beats aus dem New York der Neunziger, die Nas oder Mobb Deep gut gestanden hätten. Der Gastauftritt des Wu-Tang-Clan-Vorstehers Raekwon auf Blind Threats wirkt da ganz selbstverständlich. Während Rapper derzeit hüben wie drüben auf stakkatohaften Trap zurückgreifen, betreibt Schoolboy Q lieber vergangenheitsbewältigende Eklektik. Am Mikrofon konzentriert er sich mal in bester Jay-Z-Manier auf den Flow, schaltet zwischen Eminem-Hochgeschwindigkeitsrap und der betäubten Druffidichtung eines Ol‘ Dirty Bastard hin und her, mimt wie Slick Rick den Geschichtenerzähler und erinnert bisweilen in seiner überheblichen Art an den jungen 50 Cent.

Stichwort 50 Cent: Schoolboy Q macht keinen Hehl aus seiner Verehrung für Curtis Jackson. Nicht ohne Grund erinnert Oxymoron mit seiner Mischung aus Angriffslust und Arroganz mitunter an dessen mittlerweile als Klassiker geltendes Major-Debüt Get Rich Or Die Tryin‘ von 2003. Ob es selbst einer wird? Nun, es setzt dem Hip-Hop ein Denkmal wie good kid, m.A.A.d city. Das Label Top Dawg Entertainment, bei dem Kendrick Lamar und Schoolboy Q ein Zuhause gefunden haben, beweist ein gutes Händchen.

„Oxymoron“ von Schoolboy Q ist erschienen bei Top Dawg Entertainment/Interscope.