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Schüttel das, schüttel das, schüttel das

 

„The New Classic“, das Debüt der australischen Rapperin Iggy Azalea wäre gerne ein Klassikeralbum. Stattdessen ist es einfallslos, ohne Witz und obendrein ein Ärgernis.

© EMI/Universal
© EMI/Universal

Nur wenige Künstler haben es geschafft, Alben aufzunehmen, die sich auch noch Dekaden nach ihrer Veröffentlichung den Status als einflussreiche Meilensteine bewahrt haben. Platten von David Bowie, von Michael Jackson, Nas oder Jay Z. Im HipHop ist es gerne auch mal so, das Künstler gerne schon vor der Veröffentlichung ihres ersten Albums herumposaunen, einen unabdingbaren Klassiker aufgenommen zu haben.

Selbstbewusst, wie Iggy Azalea ist, nennt sie ihr Debütalbum gleich The New Classic. Kaum verwunderlich, weil sie in den vergangenen Jahren doch eine ganze Laubsackladung Vorschusslorbeeren bekommen: Das HipHop-Fachblatt XXL nahm die Australiern im Jahr 2012 als erste Frau und Nicht-Amerikanerin aufs Cover ihrer Sonderausgabe mit vielversprechenden Rappern.

Rappen kann Iggy Azalea. Egal ob Betonung, Flow oder in Hochgeschwindigkeit. Aber wagt man einen Blick auf das Textblatt, wird’s schon schwieriger. „Keep on living, keep on breathing, even when you don’t believe it. / Keep on climbing, keep on reaching, even when this world can’t see it.“ Das ist leider self empowerment nach Schema F. Ansonsten begegnen einem Bonnie-und-Clyde-Metaphorik oder Animateursmantren wie Shake that, shake that, shake that. Es mangelt leider auch an guten Wortspielen, besonders gewitzten Reimen, ja, überhaupt irgendeiner Form von Kreativität.

Die Beats kommen zu einem großen Teil von einem bis dato recht unbekannten Produzententeam mit dem Namen The Invisible Men, die, vielleicht zu Recht, unsichtbar bleiben. So einfallslos ist deren betriebene Überführung von Rave-Motiven in Rap-Rhythmik.

Natürlich gibt es auch gelungene Stücke, wie die aktuelle Single Fancy. Es orientiert sich erst an einem minimalistischen Groove, schaltet dann im Refrain aber auf Gassenhauer. Und für einen kurzen Moment ist man begeistert, weil Iggy Azaleas rotziger Rap sich in der Großraumdiskothek richtig wohl zu fühlen scheint, ohne dass das Ganze in unhörbare Plastikmusik ausartet. Aber dann treffen in Goddess Marschmusik und Schweinegitarren auf als Stadiongesänge zweckentfremdete Hinterlassenschaften von Frank Farian – das klingt dann so, wie es sich liest. Nämlich eher nicht so schön.

Dass am Ende nicht der angekündigte Klassiker ist: geschenkt. Aber es ist nicht mal eine besonders gute Rap-Platte sondern ein sehr gewöhnliches Album, das im eklektizistischen Pop-Potpourri dieser Tage leider nicht weiter auffällt. Das ist ärgerlich, weil Iggy Azalea tatsächlich imstande wäre, eine wirklich gute HipHop-Platte aufzunehmen. Weil sie eben nicht so quietschbunt und affektiert ist wie Nicki Minaj und lange nicht so angestrengt anders wie Angel Haze. Zumal Iggy Azalea das mit dem guten Rap schon mal gelungen ist. Etwa auf ihrem Mixtape Trapgold oder der EP Glory. Die haben zwar schon ein paar Monate oder sogar Jahre auf dem Buckel, aber klingen mehr nach HipHop im klassischen Sinne als ihr neuer, verkorkster Versuch.

„The New Classic“ von Iggy Azalea ist erschienen bei EMI/Universal