Bob Mould, früher bei Hüsker Dü, ist ein lebendes Fossil. Mit dem Album „Beauty & Ruin“ gibt er dem Rock seine vier Buchstaben zurück, ohne sich darauf auszuruhen.
Musikstile, das ist ein Merkmal unser zeichensatten Zeit, kommen kaum ohne Präfixe aus. Selbst Subgenres wie Punk kriegen ihr subsubgenriges Post- oder Skate- bis Fun- und Folk- verpasst. Metal gibt’s selten ohne haarige, wahre, tote Vorsilbe. Und da ist noch gar nicht vom multidiversifizierten Oberbegriff des Rock die Rede: Es hagelt Progs und Hards und Brits und Shoegazings und Diskurse.
Da ist es sehr erfrischend, den Musikstil eines Künstlers rundheraus als Kerndisziplin zu bezeichnen. Bob Mould macht also Rock. Einer, dem man noch nicht mal ein „ehrlich“ vorweg hüsteln muss. Ohne Sperenzchen und Querverweise, dafür mit harten Riffs, kernigem Männergesang plus Schlagzeug, das auf der Nebenspur fährt, statt ständig zu drängeln. Und ganz ehrlich: Das verdient ein saftiges „Hail Hail Rock’n’Roll“.
In einem Ritt durch die Jahrzehnte seiner persönlichen und künstlerischen Historie prescht der Mittfünziger auf seinem grob gezählt zwölften Soloalbum voran. Als Gründungsmitglied von Hüsker Dü hat der New Yorker seinem Metier zwar Ende der Siebziger einen der eingangs erwähnten Zusätze – Alternative nämlich – verpasst. Im Großen und Ganzen aber bleibt das lebende Fossil bis heute der Maxime seines epischen Schaffens treu: keine Experimente. Umso paradoxer, wie innovativ, ja erfrischend das wirkt.
Zu bestaunen ist dieses Paradox altmodischer Musik mit fortschrittlicher Kraft auf Beauty & Ruin. Entlang der Demarkationslinie fortwährenden Viervierteltaktes, zelebriert die neue Platte simplifizierten Rock, der sich nicht in Nostalgie erschöpft. Es gibt keine Versatzstücke, keine Referenzen, nicht mal an die eigene Vergangenheit von Hüsker Dü bis Sugar. Es gibt nur diesen geradlinigen Sound, der vielleicht allerlei Präfixe im musikalischen Gedächtnis aufpoppen lässt. Mould aber beutet damit keine Referenzsysteme anderer aus, sondern führt eben diese zurück zu ihren Ursprüngen des Rock’n’Roll.
I Don’t Now You Anymore zum Beispiel, das dritte von elf Stücken, während derer die Assoziationsmaschine anspringt: Klingt das nicht wie ein Mashup aus Soundgarden und Good Charlotte? Das tut es. Und wieder nicht. Samt seiner aktuellen Bandkollegen Jason Narducy (Bass) und Jon Wurster (Drums) zitiert Mould nichts, sondern schnappt sich die Wut von Grunge, mischt sie mit der Leichtigkeit vom Powerpop und landet in einer Zeit, da Musik noch Befreiungskräfte entfesseln sollte, ohne sich dabei den Spaß zu verderben.
Kein Wunder, dass Beauty & Ruin nicht wie die Quadratur des Steines klingt. Teile davon wirken uninspiriert wie vieles, was lebenslange Übung glatt schleift. Doch Bob Mould, der auch nicht mehr alle Haare auf dem Kopf hat, ist sich eben lang noch nicht selbst genug – anders als all die ergrauten Retrobands ihrer selbst. Er gibt dem Rock seine vier Buchstaben zurück, ohne darauf sitzen zu bleiben. Ein Album lang muss das erlaubt sein.
„Beauty & Ruin“ von Bob Mould ist erschienen bei Merge Records.