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Da werden die Bohnen im Blechnapf verrückt

 

Die australische Band Graveyard Train entstaubt den Wilden Westen. Ihr Album „Hollow“ reitet auf Country und Alternative Rock durch die Prärie.

© Off the record
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Gibt es in Australien eigentlich Cowboys? Und falls doch – heißen die dann etwa Sheepboys und sind ganz anders drauf als ihre rindertreibenden Kollegen aus dem Wilden Westen? Tragen also keine Sporen, schießen weniger scharf, trinken nie Whisky, essen nicht dauernd dicke Bohnen am burning camp fire und vor allem: machen dort womöglich andere Musik als immer nur Country & Western? Schwer zu sagen. Vielleicht sind Graveyard Train das akustische Abbild des australischen Kuhjungen.

Zum Sound flatternder Steelguitars, flehender Mundharmonikas und winselnder Banjos kündet das Debütalbum der siebenköpfigen Band von Schrecken und Schönheit der Prärie. Da schwirren die Choräle durchs Licht der Mittagshitze. Da riecht es rauchschwer nach Lagerfeuer und Saloon. Es weht allen Ernstes ein Hauch von Texas durch die elf Stücke ihres Albums Hollow. Aufgenommen wurde diese Art Americana zwar in Melbourne; tief im Herzen jedoch, weit unten in der Seele klingt sie nach den Hollywoodmythen westwärts ziehender Hirten. Ein bisschen zumindest. Und zum Glück nicht viel mehr.

Das Fundament von Hollow mag auf dem US-Folk klassischer Prägung errichtet sein. Dem, was hierzulande als Cash-Country bekannt wurde, letztlich aber nichts anderes ist als zusammengeschusterte Volksmusik eingewanderter Kulturkreise nach ihrem Weg ins Ungewisse, angekommen im Business globaler Musikvermarktung. Graveyard Train allerdings tunken das Ganze in einen Topf mit psychedelischem Indierock, sodass ihm jede Massentauglichkeit von vornherein ausgetrieben wird – und man sich umso wehmütiger an die beste Zeit dieser Art Mashup erinnert: die späten Achtziger, als Violent Femmes Folk und Punk, Status Quo und Revolte auf so verstörend harmonische Weise miteinander versöhnten, als hätten sie seit jeher zusammengehört.

Das haben sie nicht. Und irgendwie doch. Country und Alternative, angepasster und dissidenter Gitarrensound passen in lichten Momenten wie diesen zueinander wie Bohnen in den Blechnapf: Auch darin bleiben sie eine öde Pampe, erhalten durchs Klappern des Löffels aber eine ganz eigene, unwiderstehliche Würze. Getragen von Nick Finchs düsteren Zeilen über die Abgründe des Menschlichen im Umfeld von Klapperschlangen und ähnlichen Biestern, entlocken Graveyard Train ihrem Genre ein Pathos, in dem man zu versinken droht wie im Westernmythos Treibsand. Doch als ergäbe auch hier Minus mal Minus Plus, liegt gerade im übertrieben Feierlichen, ostentativ Ergriffenen, unablässig Betroffenen ein unentrinnbarer Sog.

Somit wirkt Hollow wie der Soundtrack eines Abenteuerfilms, den zu drehen wir längst entwachsen sind. Und wenn Nick Finch im Track mit dem melodramatischen Titel One Foot on the Grave zu schreien beginnt wie Jack White ohne Bluesrock, spürt man: Graveyard Train sind dabei die Regisseure, Autoren, Kameramänner in einem. Im echten Leben mag der Western tot sein. Hier erwacht er zu neuem Leben.

„Hollow“ von Graveyard Train ist erschienen bei Cargo Records.