Zola Jesus scheint nicht mehr so traurig zu sein wie früher. Schön für sie. Schade für uns: Auf ihrem neuen Album hat sie ihre liebenswerte Eigenart verloren.
Es war ein langer Weg, den Nika Roza Danilova zurückgelegt hat. Von jenem dunklen Wald in Wisconsin, in dem sie aufgewachsen ist, bis ins helle Licht des Musikgeschäfts, in dem sie sich als Zola Jesus mittlerweile sonnt.
Ein langer Weg, der mit ihrem neuen Album seinen Abschluss findet. Denn mit Taiga ist die Wandlung vom trällernden Troll zur Pop-Diva nun vollendet.
Bis es soweit kommen konnte, hat Zola Jesus allerdings für eine der schönsten Legenden der neueren Popgeschichte gesorgt. In der tauchen ein als Jäger tätiger Vater auf, viele Entbehrungen und natürlich der dunkle Wald im hohen amerikanischen Norden, in dem es kein Internet, aber dafür lange, kalte Winter gibt. Die Zeit vertrieb sich die junge Nika mit dem Singen von Opernarien, obwohl sie niemals eine Oper von innen gesehen hatte. Die angeblich wahre Geschichte geht dann so weiter, dass das Mädchen, nachdem es den Wald verlassen hatte, die Schriften von Nietzsche oder Schopenhauer studierte. In der Summe ergab das dann eine Musik, die schwer existenzialistisch klang, hoch artifiziell, ziemlich schwermütig und doch auch erstaunlich erdverbunden.
Ob das nun an der großartigen Geschichte lag oder an der auch ziemlich großartigen Musik: Zola Jesus wurde jedenfalls eine Sensation. Jedes der bislang vier Alben der schmalen Person mit der mächtigen Stimme wurde von der Kritik gefeiert, mit jedem wurde sie ein wenig bekannter. Mit jedem aber entfernte sie sich auch ein wenig weiter von ihrer wundervoll trostlosen, fröstelnd intensiven, verführerisch ätherischen, leise lärmenden und vor allem ziemlich einzigartigen musikalischen Grundidee.
Nun, auf Taiga, dessen Titel auf die russische Herkunft ihrer Vorfahren anspielt und an dem Zola Jesus zwei Jahre lang und damit um ein vielfaches länger als an allen vorherigen Alben zusammen gearbeitet hat, ist diese Idee nicht mehr wirklich präsent. Mitunter tauchen die engelhafte Melancholie, die seltsamen Geräusche und die weltabgewandte Versponnenheit noch auf wie eine ergraute Erinnerung. Leuchten kurz auf, bevor wieder die kräftig bollernden Beats das Kommando übernehmen und sich auf den Dancefloor schieben. Bevor die Melodien vom eigenen Pathos überwältigt werden. Bevor die hervorragende Produktion allzu oft die kleinen, sympathischen Ungereimtheiten eliminiert. Bevor die gute Stimmung überhand zu nehmen droht und Zola Jesus sich als gediegenere Alternative zu Lady Gaga etabliert.
Wenn man Popmusik unbedingt biografisch lesen möchte, darf man nun also feststellen: Zola Jesus scheint es sehr viel besser zu gehen als damals, als sie gerade den Weg aus dem dunklen Wald hinaus gefunden hatte. Ja, aus Nika Danilova scheint ein singendes Glückshormon geworden zu sein. Da kann man sich für sie freuen. Und ansonsten ein wenig enttäuscht sein, dass die wundervoll traurige Musik, die Zola Jesus früher so einzigartig gemacht hat, auf dem langen Weg zur Pop-Diva weitgehend verloren gegangen ist.
„Taiga“ von Zola Jesus erscheint am 3. Oktober auf Mute/Goodtogo.