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Rappen mit Echthaar

 

Nicki Minaj gehört zu den größten Blenderinnen des Popgeschäfts. Ausgerechnet von ihr wird oft mehr Authentizität gefordert. Ihr neues Album belässt es bei ersten Schritten in diese Richtung.

© Universal
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Jeder Popstar ist eine Kunstfigur, aber kaum jemand hat es mit der Überzeichnung in den vergangenen Jahren bunter getrieben als Nicki Minaj. In Videos war sie unter anderem als Barbie, Geisha, Meerjungfrau und männerfressendes Monster zu sehen, auf einem Albumcover mit verlängerten Beinen. Als Rapperin kann sie im Verlauf einer Strophe zwischen mehreren Rollen hin- und herwechseln, manche davon sind weiblich, manche männlich, einige außerirdisch, jede kommt mit dem passenden Akzent. Eine Zeit lang hatte Minaj die gleiche Frisur wie Marge Simpson.

Schwer zu sagen, ob die echte Nicki Minaj eine Kombination all dieser Kunstfiguren ist oder gar nichts mit ihnen zu tun hat. Trotzdem wird kaum einem anderen Popstar so oft vorgerechnet, was er zu tun und wie er zu klingen hat. Minaj ist eine atemberaubende Rapperin, wenn sie will, da sind sich alle einig. Weil sie außerdem Sängerin, Tänzerin, Schauspielerin, Model und Geschäftsfrau sein will, heißt es immer wieder, sie kenne ihre eigenen Stärken nicht.

Mal ganz abgesehen von der sexistischen Grundierung dieses Denkens gibt es natürlich kaum etwas Langweiligeres als einen Künstler, der seine Stärken ganz genau kennt. Als Popstar ist Minaj interessant, weil sie unberechenbar ist. Man kann nicht voraussagen, ob sich die Rap-Konkurrenz vor ihrem nächsten Track fürchten sollte – oder doch eher die Hörer.

Das dritte Album von Nicki Minaj heißt The Pinkprint und wird als Platte beworben, auf der die Künstlerin erstmals komplett ungeschminkt zu hören sei. Konkret bedeutet das: weniger farbenfrohes Make-up, Auftritte mit Echthaar und alte Familienfotos statt aufgedonnerter Inszenierung im CD-Booklet. Ein Zugeständnis an jene Kritiker, die glauben, Minaj besser zu kennen als die Rapperin sich selbst, ist diese Ausrichtung glücklicherweise nur scheinbar.

The Pinkprint ist an manchen Stellen genauso poppig, schwülstig oder kindisch wie seine Vorgänger. Mit dem Arschbeweihräucherungsstück Anaconda enthält es sogar den bisher albernsten Track von Minaj, mit Only außerdem den unwürdigsten. Nach einer Einführungsstrophe der Gastgeberin freuen sich Drake und Lil Wayne nacheinander über den Gedanken, mit Nicki Minaj im Bett zu landen. Damit niemandem zu heiß wird, singt vorsorglich Chris Brown den Refrain.

Die als ungeschminkt angekündigte Künstlerin hört man nicht in besonders akrobatisch gerappten Stücken, sondern in drei ruhigen, reduzierten Tracks zu Beginn von The Pinkprint. Minaj legt damit ihre Version einer angeblich autobiografisch geprägten Trennungsgeschichte offen. Außerdem gibt sie die Selbstversorgung mit chemischen Drogen als Leitmotiv des Albums vor. Die Sache könnte weniger tränenzieherisch inszeniert sein, zeigt aber einmal mehr, dass die beste Seite von Nicki Minaj immer diejenige ist, die man noch nicht kannte.

Im Anschluss weicht The Pinkprint voreilig vom eingeschlagenen Weg ab. Es erlaubt sich immerhin die Frechheit eines Beyoncé-Features ohne weltumarmenden Beyoncé-Gesang, geht ansonsten aber vor allem bekannte Themen (Party, Sex, Hintern) mit bekannten Gästen durch. Manche davon scheinen Minaj inzwischen selbst zu langweilen, neue Regeln braucht deshalb jedoch niemand zu fordern. Ihr nächster Akzent wird von ganz allein kommen.

„The Pinkprint“ von Nicki Minaj ist erschienen bei Republic/Universal.