„Cross generational, cross cultural, cross genre“ – aber nicht „cross gender“! Die Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington hat eine weibliche Jazz-Supergroup um sich versammelt.
Im Jazz war es lange wie auf Piratenschiffen: Frauen haben an Bord nichts zu suchen, sie bringen Unglück. Auch heute sind ihnen in der Regel bestimmte Rollen vorbehalten. Singen. Ein bisschen Tasten drücken. Das war es meistens. Terri Lyne Carrington hält dagegen: Nicht nur spielt sie Schlagzeug, das wohl am wenigsten damenhafte aller Instrumente – sie hat sich für ihr jüngstes Album auch ausschließlich weibliche Mitmusizierende ins Studio geholt.
Der Titel – Mosaic – ist Programm: Carrington setzt ein Klangbild aus Einzelstimmen zusammen. Dass sie alle weiblich sind, stellt die Schlagzeugerin als Nebenaspekt dar: „Die Schönheit liegt auch darin, dass man Gender nicht hört. Man hört viele starke musikalische Ideen mit Wurzeln im Jazz, auf dem allerhöchsten Level gespielt“, schreibt sie auf ihrer Homepage. „Wenn ich so etwas früher hätte tun wollen, zum Beispiel, als ich vor 25 Jahren anfing zu spielen, hätte mich die begrenzte Auswahl an Musikerinnen wohl eingeschränkt. Heute gibt es so viele talentierte Frauen, mit denen ich sowieso schon gespielt habe – nicht weil sie Frauen sind, sondern weil ich es mag, wie sie spielen.“
Carrington wuchs in einer Musikerfamilie auf, trommelte auf dem Drumkit des Opas und gab 1975 ihr erstes großes Konzert – da war sie zehn. Seitdem spielte sie mit Dizzy Gillespie und Oscar Peterson, Herbie Hancock und Wayne Shorter, Al Jarreau und Stan Getz, Carlos Santana und Joe Sample – und eben mit vielen Frauen. Sie lehrt an ihrer alten Uni, dem renommierten Berklee-College. Beim Zusammenstellen wechselnder Formationen hat sie oft ein gutes Händchen bewiesen.
Die feministische, politische Inspiration grundiert das Album, das in den hiphoppigen Bonustrack Sisters on the Rise (A Transformation) mündet. „Ich bin eine Frau in der Welt, nicht nur eine Frau im Jazz“, sagte die 45-jährige Spiegel Online.
So ist auf Mosaic denn auch Angela Davis zu hören, die schwarze Bürgerrechtlerin und Kommunistin, die in den Siebzigern zwei Jahre unschuldig in Haft saß und auf dem Album das US-Gefängnissystem als Fortsetzung der Sklaverei bezeichnet. Sie spricht das Intro zum von Dianne Reeves eindringlich gospelig gesungenen antirassistischen Echo.
Das Album sei „cross generational, cross cultural“ und auch „ein bisschen cross genre„, steht im Booklet. Soul, Funk, Pop klingen an, aber der vorherrschende Geist ist Jazz. Insbesondere die Bläserinnen – Tineke Postma am Saxofon, Ingrid Jensen an Trompete und Flügelhorn, Anat Cohen an Klarinette und Saxofon und die Berklee-Studentin Hailey Niswanger an der Flöte – bringen mit postboppigen Schrägen Bewegung ins Spiel.
Die Stimmenvielfalt ist beeindruckend: Nona Hendryx singt hymnisch, der ewige Geheimtipp Gretchen Parlato eher intim, unter anderem im Beatles-Klassiker Michelle. Cassandra Wilson steuert ihre erdigen tiefen Lagen bei. Dabei sind auch Dee Dee Bridgewater, Esperanza Spalding und Carmen Lundy – insgesamt 21 Musikerinnen, viele davon schwarz, die zum Teil auch Kompositionen beigesteuert haben. Die 14 Titel sprengen nie das Song-Format, überfordern das Ohr nicht, sind aber quicklebendiger, erfrischend spontaner Jazz.
„Mosaic“ von Terri Lyne Carrington ist erschienen bei Concord.