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Eine Orgel über den Wassern

 

Dringlich, düster, antreibend klingt die Musik der norwegischen Band The Low Frequency In Stereo. Nun, sie meinen ernst. Gerade kommt ihr drittes Album: „The Last Temptation Of… Volume 1“

Cover TLFIS

Nele hatte Geburtstag, es ist schon drei Jahre her, und sie hatte gemeint, komm doch in die Astra Stube, da spielt’ne Band und hinterher feiern wir noch, so bin ich da hin und hörte The Low Frequency In Stereo zum ersten Mal, gleich live.

Es sind ja oft Zufälle, die einen musikalisch weitertragen. Der richtige Abend, die passende Stimmung, die Abwesenheit von Erwartung, Freunde, und – nicht zuletzt – die Verfassung der Musiker.

The Low Frequency In Stereo kamen aus Norwegen; weder weiß ich aus der Erinnerung zu sagen, woher genau, noch wie viele es waren, obwohl ich mich sogar mit ihnen unterhielt, aber da war es schon spät, und wir waren alle nicht mehr allein.

Sie spielen einen schrammeligen, lauten Rock, was meinem Hang zur Feinheit, zur Transparenz und zur Lyrik nicht eben entgegenkommt. Aber sie lassen auf ihren stürmischen Wassern eine Heimorgel schwimmen. Sie haben zudem eine gewisse Dringlichkeit in ihrer Musik, etwas Düsteres, Antreibendes, es geht ihnen um etwas, sie meinen es ernst, das spürt man sofort, und sie nehmen sich die Zeit, die sie brauchen. Jenseits ihrer schnellen Stücke haben sie keine Eile, und so gibt es sie immer noch, gerade haben sie ein neues Album herausgebracht, das dritte erst.

Die Astra Stube liegt am Rande des Hamburger Schanzenviertels an einer vielbefahrenen Kreuzung und noch dazu unter einer Eisenbahnbrücke. Hier rattern alle Züge rüber von oder nach Skandinavien. Der Club ist winzig. Wenn man selber reingeht, ist er schon halb voll. Musik kann hier sehr intensiv werden, eindrücklicher als anderswo. In der Astra Stube können Musiker nicht einfach nur so spielen. Sie müssen es wollen.

Nach dem Auftritt der Band verspürte ich plötzlich den Wunsch, mir von ihr etwas mitzunehmen, eine Platte möglicherweise, ein Echo jener schweren Wellen, die sie durch die Nacht geschickt hatten. Ich kaufte mir eine Single und ein T-Shirt, auf dem zwei dicht beieinander stehende Hochhäuser sehr unterschiedlicher Breite zu sehen waren, ein nachhaltig beunruhigendes Bild. Auch der Name der Band beschäftigte mich, zeichnen sich tiefe Töne doch durch ihre Nichtverortbarkeit aus. Niedrige Frequenz in Stereo: Wie sollte das gehen? So machte diese Band auch ein kleines Geheimnis.

Ihre Mitglieder waren übrigens blutjung, jünger noch als Nele, deren Geburtstag wir bis in die Frühe feierten, am Fenster der Astra Stube sitzend, unter der Brücke auf die Kreuzung blickend, die in ein unwirkliches gelb-orangefarbenes Licht getaucht war. Lastwagen fuhren von links und rechts aneinander vorbei, und auch ihre Schatten hatten dieses gelbliche Orange, nur etwas fahler.

„The Last Temptation Of… Volume 1“ von The Low Frequency In Stereo ist als LP und CD erschienen bei Rec90/Cargo

Hören Sie hier „Big City Lights“

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