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Zwei auf derselben Datenleitung

 

Eine Band dank Internet: Das kanadische Duo Purity Ring passt mit seinem Hipster-Elektropop ganz genau in unsere Zeit. „Shrines“ heißt ihr rätselhaftes Debüt.

© Sebastian Mlynarski

Am Nebentisch sitzt sich ein Pärchen schweigend gegenüber. Beide blicken auf ihre Smartphones, lächeln ihre Displays an. So geht das den halben Abend. Ein Symptom unserer Zeit: Wir kommunizieren am liebsten mit Menschen, die nicht in unserer Nähe sind. Dass sich diese Tendenz auch aufs Musizieren auswirkt, zeigt das Indietronic-Duo Purity Ring.

Die Kanadier Megan James und Corin Roddick sind Anfang zwanzig und sehen aus wie Models für Urban Outfitters. Sie lernen sich kennen in der Musikszene ihrer Heimatstadt Edmonton. Eine Band gründen sie aber erst, nachdem sie in zwei verschiedene Städte gezogen sind. Fortan sitzt er in Montreal an seinem Sequenzer und bastelt an Beats herum. Sie arbeitet als Näherin in Halifax, fünfzehn Autostunden entfernt. Die Distanz überbrücken sie via E-Mail: Gut ein Jahr lang schickt er seine Tracks an die Atlantikküste, wo sie ihren Gesang darüber legt und die Songs an ihn zurückschickt. Das Ergebnis dieses Datenaustauschs ist ihr Debütalbum Shrines.

„Future Pop“ nennen Purity Ring ihren Stil. Wer mag, kann aber eine ganze Reihe historischer und gegenwärtiger Einflüsse heraushören: Dream Pop, R’n’B, Down South, Achtziger-Pop, sogar Witch House im Stil von Holy Other oder Balam Acab. Meist klingt ihre Musik aber nach dem, woraus sie besteht: Roddicks halluzinatorischen Synthie-Sounds und James‘ kindlicher Sopranstimme. Ihren Konzerten fügen sie noch ein bisschen Spannung hinzu, indem sie selbst geschneiderte Kostüme tragen und auf einem baumähnlichen Instrument trommeln, das farbig leuchtet und Töne von sich gibt.

Ihre Songs leben vor allem von James‘ Gesang, den Roddick mittels Vocoder oder Autotune verfremdet und durch zerhackte Samples zu einem Teil der Musik macht. In ihren Lyrics geht es keinesfalls so unschuldig zu, wie der Bandname und die Stimme vermuten lassen: James singt von Wurmlöchern, Bettwanzen und toten Vögeln, steckt Zahnstocher in Herzen, trägt Eingeweide in einen Schuppen, bohrt Löcher in Augenlider. Ganz so phantasmagorisch ist die Musik nicht. Der Synthesizer als einziges Instrument könnte auf Dauer doch etwas langweilig werden, zumal Roddick seine Sounds kaum variiert. Auch der mittels Kompressor erzeugte und zigmal eingesetzte Pump-Effekt hilft da wenig.

Dabei können sie auch anders: Fineshrine überzeugt durch fabelhafte Melodien und Breaks, die sich auftürmenden Bässe und klirrenden Höhen von Belispeak loten die Möglichkeiten jeder Hi-Fi-Anlage aus. Mal haben die Klänge gar was von Calypso, und das hinreißende Lofticries hätte auch gut auf den Drive-Soundtrack gepasst. In Shuck rückt James‘ Stimme in den Mittelpunkt, wird vervielfacht, zerschnipselt. Die Synthies im Hintergrund erinnern an das Röhren brünftiger Hirsche und die Top-Gun-Schnulze Take My Breath Away.

Der Hype um die Band ist groß und ihr eigentümlicher Stil durchaus reizvoll, besonders hinsichtlich des Gesangs und der rätselhaften Texte. Dass Roddick und James ihre Musik räumlich getrennt voneinander aufgenommen haben, ist wohl der Grund dafür, dass ihr Debüt dennoch etwas seelenlos wirkt. Und so gut in unsere Zeit passt.

„Shrines“ von Purity Ring ist erschienen bei 4ad/Beggars Group.