Die Wellnesskultur schreibt uns gute Laune vor? Mit Jacques Palminger von Studio Braun und seinen Kings of Dubrock lässt sich das Diktat höchst vergnüglich unterwandern.
Jacques Palminger fackelt nicht lang, wenn er einen Witz wittert. Seit Jahren widmet er sich mit ausdauernder Ernsthaftigkeit dem Unernst. Ob Musik, Film, Theater oder Hörspiel, der Grat zwischen Neo-Dadaismus und Junggesellenabschiedshumor ist hier ein schmaler.
Einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangte der Hamburger Sänger und Schauspieler gemeinsam mit Heinz Strunk und Rocko Schamoni unter dem Namen Studio Braun – eine Untergrundgröße des durch Karl Dall popularisierten, längst etwas angemoderten Genres „Telefonstreich“. Als Guerillahumorist spielte er in Theaterstücken von Schorsch Kamerun, und seine letzten Plattenveröffentlichungen dokumentieren den Versuch, abgehangenen Loungejazz mit phlegmatisch vorgetragener Alltagslyrik zu Besserem zu verleimen.
Musikalisch hat Palminger gemeinsam mit dem Knöpfchendreher Viktor Marek und der Chanteuse Rica Blunck schon längst den Dub für sich entdeckt, denn dieses basslastige Genre der Versionen, Remixe und Re-Remixe, des Zitierens und Verfremdens eignet sich hervorragend für seine klamaukigen Bedürfnisse.
The Kings Of Dubrock – Kinder der Sonne
„Dubrock ist wie Beton, es kommt darauf an, was man daraus macht“, stellt Palminger gleich im ersten Stück auf Fettuccini fest, dem zweiten Album des Trios. Die Kings of Dubrock rühren mit diesem Beton ein robustes Fundament aus karibischen Hallschleifen, Italodisco, Kinderlied und Retropop an, auf dem Palminger in coolem Duktus seine Wortspiele und Assoziationsketten ausbreitet.
Als „Dubliners“ stellt er sein Trio auf Fettuccini vor, und als „Germany’s next Dubmodel“. Dazu wird der Afrobeat-Erfinder Fela Kuti mit Adriano Celentano kurzgeschlossen und das italienische Comic-Küken Calimero als kleinwüchsiger Ritter von trauriger Gestalt inszeniert. An anderer Stelle gerät der Eurotrashhit Scatman (Ski-Ba-Bop-Dop-Bop) zu einem trippigen Zeitlupen-Riddim, und ein vollendetes Sommeridyll der Dubrock-Könige hört sich in etwa so an: „Der Sommer ist da, magst du mich auch? Die Waffen sind da, MDMA.“
Ein solches Zusammentreffen von popistischer Verweiswut und Subkulturklamauk hat in Hamburg Tradition. Palminger, Marek und Blunck stammen aus einem losen Verbund von Bohemiens, deren Treffpunkt der elbufernahe Golden Pudel Club ist. Hier gewinnt man aus der geografischen wie politischen Hafenstraßennähe und der Affirmation von Trashkultur – wie Schlager, Chartmusik oder Flachwitz – ein gewisses widerständiges Potenzial, den Pudelhumor. Um es mit Palminger zu sagen: „‚Ja‘ ist das Zauberwort. Ich heiße Ja-cques. In der Be-ja-ung liegt das Geheimnis größter geistiger Machtentfaltung!“
Bereits vor gut 20 Jahren sang ein ebenfalls in Hamburg wirkender Musiker, Jochen Distelmeyer von Blumfeld, äußerst hellsichtig über einen „Spaßtyrannen“, der sich als gesellschaftlicher Imperativ der gut gelaunten Partizipation verstehen lässt. Diesem Spaßbefehl der Wellnesskultur können sich Palminger und seine Kings of Dubrock natürlich auch nicht entziehen. Sie verzwirbeln und deformieren ihn nur so lange, bis er erträglich wird.
„Fettuccini“ von The Kings of Dubrock ist erschienen auf Staatsakt/Rough Trade.