The Gaslamp Killer aus Los Angeles klebt atemberaubende Soundkollagen. Man kann sie Hip-Hop oder Dubstep nennen – oder einfach nur fantastische Popreflektionen.
Das menschliche Ohr ist ein zutiefst konservatives Organ. Ständig auf der Suche nach Struktur und Ordnung, nach höherer Bedeutung, tieferem Sinn, Erklärungen, am besten den leichten. Viervierteltakte, Marschmusik, simple Tonfolgen, schlichter Cantus, wiederkehrende Klänge – das erfreut die Herzen Traditionsverhafteter. Der steinige Umweg übers Hirn muss nicht beschritten werden. Volksmusik eben, Schlager, Melodien für Millionen.
Umso erstaunlicher zu hören, wie sehr sogar progressive Freigeister auf der Suche nach Geradlinigkeit sind, wie erleichternd noch die leisesten Anflüge von Symmetrie und Gliederung aufs libertärste Selbstempfinden wirken, wenn sie das Chaos ein wenig lüften. Als wären es Sinfonien. Man muss sich nur paar Stücke von Breakthrough anhören, dem Debütalbum von The Gaslamp Killer.
Die DJ-Sets des Bühnenberserkers aus Los Angeles, mal im Underground-Hip-Hop, mal im Dubstep angesiedelt, bringen das Publikum bisweilen zum ehrfürchtigen Stillstand, so beeindruckend ist ihre entfesselte Hitzigkeit. Jetzt überträgt The Gaslamp Killer seine aberwitzigen Auftritte erstmals auf einen Tonträger.
Sein Album ist die erwartbar unberechenbare Kaskade aus allem, was sich digital erzeugen lässt; ein irrsinniger Ritt durch alles, was Sequencer, Synth, Sampling und gelegentliche Schlagzeuganalogien so hergeben. In diesem Soundschlamm nach Struktur zu suchen ist, als grabe man im Watt nach Sandkörnern. Und man wird doch fündig.
Denn William Benjamin Bensussen, so sein bürgerlicher Name, sortiert das Durcheinander seiner computerisierten Fantasien so bemerkenswert schlüssig, dass darin mehr als bloß Struktur fühlbar wird. Es ist fast eine höhere Ordnung, die da in den 17 teils raspelkurzen Tracks entsteht. Unterstützt von ein paar Kollegen wie Daedelus, Samiyan und ähnlich Gesinnten von außerhalb seines Labels Brainfeeder, mischt The Gaslamp Killer, was nicht zusammenpasst, bis es passt, vertikal wie horizontal.
Er schiebt Blues unter Klassik (Veins) und Sitar unter Post-Trip-Hop (Critic). Das Ganze neben konventionellen Psychrock (Dead Vets) oder haltloses PC-Gefrickel (Impulse). Vermengt mit Spielereien wie Fuck, wo er das Schlagwort vermeintlich rüder Attitüde mit Fünfziger-Jahre-Mad-Men-Stimme nebst Mozart durchdekliniert. Und obendrauf gibt es prisenweise John Cale, Skrillex, Drum’n’Bass, solche Sachen.
Breakthrough ist ein Gewusel der Impressionen, das von Gaslight Killer in Form gebracht wird wie ein Unfallopfer vom plastischen Chirurgen: Beim ersten Eindruck hat das Album bloß eine Gestalt, beim zweiten schon ein Gesicht, beim dritten sogar eine Mimik und irgendwann ist es echte Musik anstelle der Ausstellung begnadeter Tüfteleien.
Sicherlich, echte Liedhaftigkeit wird darin auch beim größten Wohlwollen niemand erkennen, aber die Kunst, aus wildem Getümmel einen anständigen Aufstand zu machen. Das Chaos kann sehr ordentlich sein.
„Breakthrough“ von The Gaslamp Killer ist erschienen bei Brainfeeder/Ninja Tune.