Über die Jahre (4): Im August widmet sich der Tonträger Platten aus vergangenen Tagen. Heute: Das zweite Album der Mothers Of Invention. „Absolutely Free“ ist ein wilder Ritt voller Spott und Nonsens, Collagen und krächzenden Klängen. Typisch Frank Zappa eben
Freak Out, das erste Album von Frank Zappas Mothers Of Invention öffnete 1966 viele Ohren. Die Nachfolgerin Absolutely Free dann füllte ein Zeug in den Schädel, das bis heute vorhält. Die Platte mit der ätzenden Schwarzweißhülle enthielt bereits vieles von dem, was später Frank Zappas Gesamtwerk ausmachen sollte: Gesellschaftskritik ebenso wie Spaß am Nonsens, außerdem ein Amalgam aus Rock’n Roll, R&B, Jazz, Doo-Wop-Sounds, Barmusik, zeitgenössischer E-Musik, seltsam transponierenden Gitarrensoli und polyphonen Stimmexperimenten.
Die damalige Besetzung erlaubte es, diese Multivalenz auszuspielen: Don Preston beispielsweise experimentierte atemberaubend mit dem Moog-Synthesizer. Die anderen Mothers auf Absolutely Free waren überwiegend wilde Kerle wie der Freejazzer Bunk Gardner oder der krächzende Bluesmann Jimmy Carl Black am Schlagzeug. Richtig gute Schlagzeuger, für die Zappa einen feinen Sinn hatte, sollten erst später zur Band stoßen. Nur wenige Musiker, die mit Zappa zusammenarbeiteten, leisteten auch danach noch Bedeutendes. Preston wurde zu einem bedeutenden Musikprogrammierer, der spätere Gitarrist Warren Cucurullo hatte mit Duran Duran Erfolg und der artistische Steve Vai, bei Zappa fungierte er in den Achzigern als stunt guitar, hatte solo Erfolg.
„Ladies & Gennelmen … the President of the United States!“ – so beginnt die LP, auf der es viel um Essbares geht, um Käse, Pflaumen und Gemüse, bis dann Call any Vegetable anhebt, wieder eine Collage, teil- und fieserweise zum Mitschnippen. Sie endet mit treffsicherem Musikspott auf die Beatles, später sollten Dylan, Sting und Johnny Cash drankommen. Die Collage Plastic People regte eine tschechische Band aus dem Umfeld von Václav Havel zur Namensgebung an: die Plastic People Of The Universe, deren Verhaftung im Jahre 1977 die Charta 77 nach sich zog.
Auf der Platte ertönt auch eine sich rapide beschleunigende Kurzmelodie, die ich seit dem ersten Hören immer wieder vor mich hinpfiff, nichtsahnend. Bis ich eines Tages in eine Radiosendung mit sinfonischer Musik hineinhörte – und da war die Melodie, mit Bläsergeschmetter, wenn auch ohne Zentrifuge: Gustav Holst, das Jupitermotiv aus den Planeten. So ging es mir immer mit Zappa: Viele Facetten seiner Sachen zeigten sich erst Jahre nach der ersten Begegnung. Etwa Brown Shoes Don’t Make It, die fiese Hymne auf doofe geile Teenager, in der es an einer Stelle sehr schwarzmusikalisch im Ethnoslang heißt: „Be a joik and go t’woik“, viermal hintereinander.
Nicht ein Jahr später folgte dann die ganz große Detonation: We’re Only In It For The Money, die mit der persiflierten Sgt.-Pepper-Hülle und den legendären Zeilen: „What’s the ugliest part of your body? Some say your nose, some say your toes. But I think it’s your mind, I think it’s your mind, woo woo.“
„Absolutely Free“ von den Mothers Of Invention ist als CD erhältlich bei Ryko
Hören Sie hier „Call Any Vegetable“
…
Weitere Beiträge aus der Serie ÜBER DIE JAHRE
(3) Soweto Kinch: „Conversations With The Unseen“ (2003)
(2) Syd Barrett: „The Madcap Laughs“ (1970)
(1) Fehlfarben: „Monarchie und Alltag“ (1980)
Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter www.zeit.de/musik