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Atmen, Pusten, Schnalzen, Summen

 

Über die Jahre (47): Schon 2006 machte die Flötistin Sabine Vogel die Geräusche nordschwedischer Schneelandschaften hörbar. „Aus dem Fotoalbum eines Pinguins“ entstand mit Hilfe von Körpersensoren

Das Geräusch von gefrorenem Wasser. Wind, der über weite Schneeflächen streicht, das leise Klirren gefrorenen Wellenschaums, Schritte auf brechendem Eis. Die experimentelle Improvisatorin und Flötistin Sabine Vogel hat das alles hörbar gemacht. Auf Einladung des Instituts für Elektronische Musik (EMS) in Stockholm reiste sie in den Norden Schwedens, sammelte Eisgeräusche und improvisierte mit ihrer Querflöte darüber.

Technisch ist ihre Improvisation sehr anspruchsvoll: Hochempfindliche Mikrofone nehmen den Klang im Inneren der Flöten ab. An Sabine Vogels Handrücken und -gelenken sind Sensoren befestigt, mit denen sie die Flötenklänge durch Körperbewegungen beeinflussen und die aufgezeichneten Wasser- und Eisgeräusche wie Bausteine abrufen und verändern kann. Umschlungen von Kabeln und Isolationsklebeband wirken ihre langsamen Bewegungen wie ein ritueller Klangtanz. Vorsichtig arbeiten ihre Lippen oberhalb der Flötenöffnung, sie atmet, pustet, schnalzt, summt.

Das Forschen am elektroakustischen Ton und die Klangveränderung im Moment des Spielens sind Sabine Vogel Ausdruck innerer Weite. Vor allem das Leise und die Stille als Teil der Musik sieht sie dabei als Herausforderung. Sie erzählt von ihrem Jazzgefühl, das sie immer weiter seziert habe, bis zur nackten Klangbetrachtung und der Abkehr vom gewohnten Umgang mit der Querflöte. So habe sie im Bereich der Neuen Reduktion, der akustischen und elektroakustischen, leisen Improvisation, ihren Platz gefunden. Eine lange Suche sei es gewesen, über ihr Studium in Linz und herkömmliche Jazz-Sessions bis zu der Begegnung mit Anthony Braxton und den Fieldwork-Arbeiten experimenteller Improvisatoren wie Ignaz Schick und der Gruppe Cobra. Die Improvisation gleiche einem Kommunikationsmedium, das weltweit auch ohne Sprache funktioniere, sagt Sabine Vogel.

Ihre CD Aus dem Fotoalbum eines Pinguins erschien in zwei Teilen, vor zwei Jahren fügte das portugiesische Label Creative Sources sie zusammen. Es waren einige der ersten Aufnahmen, die mithilfe elektronischer Improvisationsmuster und Körpersensoren entstanden. In der reduzierten Echtzeit-Improvisation verwischt die gewohnte Zuordnung der Klänge zu bestimmten Instrumenten. Die aufgezeichneten Feld-Aufnahmen – wie die von Wasser und Schnee – ergänzen das Klangvokabular der Musikerin.

Die Klänge gleichen gefrorenen Landschaften, die langsam bedrohlich werden. Das Knacken der Schritte und die fühlbare Kälte rufen Bilder des Ausgeliefertseins hervor. Die Schönheit des Eises und des gefrorenen Lichts verwandelt sich in Hilflosigkeit, Wärmeverlust und Erschöpfung. Gefrorener Atem vor einer endlosen Eisfläche. Die Schritte entfernen sich.

„Aus dem Fotoalbum eines Pinguins, Part 1 & 2“ von Sabine Vogel ist im Jahr 2006 bei Creative Sources erschienen.

Eine vollständige Liste der bisher in der Rubrik ÜBER DIE JAHRE besprochenen Platten finden Sie hier.

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