Diese Band hat sich jedes ihrer !!! verdient: Besser als das amerikanische Mash-Up-Kollektiv kann man die Tanzmusik der vergangenen Jahrzehnte nicht zusammenlöten.
Lässig, lässiger, Thr!!!er, mit drei Ausrufezeichen, versteht sich. Seit knapp zwei Jahrzehnten schon gibt es die amerikanische Undergroundband mit dem absurden Namen !!!, der lautmalerisch angeblich Chk Chk Chk bedeutet, inhaltlich aber so schwer zu fassen ist wie das, was dramaturgisch dahinter steht. Denn auch auf dem fünften Album schafft es das Mash-up-Kollektiv von Ost- und Westküste, etwas neu zu erfinden, was sie selbst längst erfunden hatten.
Nicht, dass es bei solch prozessualer Rundumerneuerung einer Schublade bedürfte, dass es dafür überhaupt eine geben könnte. Aber da die Welt nun mal nach Orientierung lechzt, sei diese hier vorgeschlagen: Neofunk, also eine Überarbeitung ihrer Wurzeln im Progressive Rock aus der Entspanntheit dancigen Souls mit dieser Prise Electronica, also doch ein bisschen housig, folglich gar nicht so ausnehmend funky, aber immerhin neo, ergo…
Es wird nix, man versucht sich an der Etikettierung, müht sich um Struktur, greift nach Strohhalmen der Codierung und landet doch immer wieder hier: !!! machen aus ihrer Sucht, diverse Stile gleichermaßen für Tanzboden oder die Radtour am Meer verfügbar zu machen, schlichtweg das Beste. Das ist ganz einfach der pure Spaß. Keiner, der vom geordneten Chaos über Ethnoklänge Richtung Pop führt und von da in die geschmacklichen Fallstricke des R’n’B gerät, sondern das Durcheinander ihrer Ideen mit Liebe zu jedem einzelnen Detail gliedert.
Auf dem famosen neuen Album klingt das dann wie folgt: Nic Offers Gesang trägt sich trübe durchs britannisierende Even When The Water’s Cold, anstatt es radiofähig zu machen, wie im Discoindiepop dieser Art üblich. Rafael Cohens Bass tippelt eher pointiert durchs geschmeidige Get That Rhythm Right, anstatt es zwischen Barry-White-Gestus und Saxofontupfen anzutreiben, wie im Discosoul dieser Art üblich. Mario Andreonis Gitarre tastet eher bedächtig durchs tänzelnde One Girl / One Boy, anstatt drüber hinweg zu slappen, wie im Discofunk dieser Art üblich. Paul Quattrones Schlagzeug kracht eher analog durchs achtzigerlastige Fine Fine Fine, anstatt metallisch darunter zu scheppern wie im Discowave üblich. Daniel Gormans Keyboard kleckert eher unauffällig durchs alternative Station (Meet Me At The), anstatt breite Flächen zu legen wie im Discorock üblich.
Rechenprogramme setzen dazu ihre Electroclash-Samples eher nebenbei durchs technoide Slyde, anstatt sie wahllos zu streuen, wie im Discohouse üblich. Und im grandiosen Stück mit dem grandioseren Titel Californiyeah verhakt sich alles so innig miteinander, dass unklar wird, ob darin mehr Hip-Hop, Funk, House, Soul, Electroclash oder von allem alles steckt.
Es ist die Kunst der Nadelstiche, die !!! bis zur Perfektion beherrschen. Ständig weben sie fremdelnde Elemente in die nostalgisch tanzflächenmodernisierte Neuinterpretation aller Tanzstile vieler Jahrzehnte, bis das Stück einen Spannungsbogen erhält, Unterhaltungswert, Fallhöhe. Vielleicht ist das dann doch Neofunk. Oder Dancewave. Oder – einfach großartig.
„Thr!!!er“ von !!! ist erschienen bei Warp. Am 4. Mai spielen !!! in Berlin ihr einziges Deutschlandkonzert.