Was da alles im Takt tropft: „Blurred Lines“ von Robin Thicke ist ein Anwärter auf den Sommerhit 2013. Schon klar, denn es geht ja auch auf dem gleichnamigen Album nur um Sex.
Robin Thicke hatte es dicke. Sorry, aber der Witz musste einfach sein. Außerdem ist es wahr: Robin Thicke wollte nicht mehr nur ein 35-jähriger R’n’B-Sänger mit Talent, Erfolg, gutem Aussehen und einem furchtbar langweiligen Image sein, nicht mehr nur eine jugendfreie Version des eigentlich ja auch schon recht braven Justin Timberlake. Robin Thicke wollte mehr. Er wollte Aufregung, Aufmerksamkeit, einen Skandal.
Einen wohl geplanten Skandal. Zu Blurred Lines, der ersten Single seines neuen Albums, veröffentlichte Thicke ein Musikvideo, in dem er und seine beiden Kollaborateure Pharrell Williams und T.I. von drei sehr langbeinigen und überaus barbusigen Models umschwirrt werden. Die Reaktionen folgten prompt: YouTube sperrte erwartungsgemäß das Video, das aber weiterhin auf anderen Kanälen zu sehen ist, die Boulevard-Medien berichteten fleißig, die Fans posteten und verlinkten eifrig, Feministinnen wollten gar ein Vergewaltigungsszenario aus dem Liedchen heraus gehört haben, und – wie um der Werbestrategie recht zu geben – stieg Blurred Lines in 13 Länder auf Platz eins der Charts.
Das war im Frühjahr. Nun ist das dazugehörige Album erschienen, das ebenfalls Blurred Lines heißt, und man muss sagen: Die Single hat nicht zu viel versprochen. Denn während Thicke, der seit 2005 mit der Schauspielerin Paula Patton verheiratet ist, auf früheren Alben durchaus noch andere Themen kannte, darunter Bankraub oder Kokain, geht es jetzt nur noch um Sex.
In den gern im Falsett vorgetragenen Texten scheint nahezu jedes Wort eindeutig konnotiert zu drin. Die Liebste besitzt einen Kirschkuchen, den Robin sofort haben will, nur mit ihr will er Unterwäsche einkaufen gehen, im Titelsong verspricht er, das Tier in der Frau herauszulassen, und in Give It To You ist dann gar nichts mehr verschlüsselt, da nimmt Thicke gleich den „big dick“ in den Mund. „There’s enough bedroom„, heißt es in Oh La La. Und der in der US-Verfassung garantierte „pursuit of happiness„, der in Ain’t No Hat 4 That auftaucht, führt den Glückssuchenden natürlich direkt ins Bett der Angebeteten. Weil Thicke im Grunde seines Herzens aber natürlich trotzdem ein Lieber geblieben ist, singt er auch noch ein Ehefrauberuhigungslied: Wenn die Sache mit den Trieben erledigt ist, dann bleibt Robin auch For The Rest Of My Life ein braver Mann, verspricht er, während der Schmalz im Takt tropft.
Unüberhörbar ist, wie Thicke sich hier vor seinem großen Idol Prince verneigt. Der war zwar, zugegeben, zu seinen besten Zeiten inhaltlich ähnlich eingeschränkt, aber textlich dann doch ein ganzes Stück diffiziler. Vor allem aber musikalisch liefert Thicke nur einen Abklatsch dessen, was Prince einst geleistet hat. Blurred Lines funkt zwar bisweilen fröhlich, aber selten wirklich sexy. Thicke kann zwar seine Stimmbänder zu hübschen Koloraturen verknoten, aber Soul hat er deshalb noch lange nicht. Jedenfalls nicht dicke.
„Blurred Lines“ von Robin Thicke ist erschienen bei Interscope/Universal.