Zuckerbrot oder Peitsche für Robo Sapiens? Das neue Album der Industrialrecken Die Krupps hat Party-Debattenpotenzial und lotet bürgerliche Toleranzschwellen aus.
Nur wenig auf der Welt führt wohl ein ambivalenteres Leben als die Maschine. Sie war es, die der Zivilisation pflügend, webend, schnaubend den nötigen Schub zur Entwicklung gab. Sie wurde es, die ihrem Personal perfektionierend, rationalisierend, gewinnmaximierend den Garaus machte. Sie ist es, die stinkend, lärmend, vergiftend den Untergang der Erde beschleunigt. Maschinen erschaffen, Maschinen verdrängen, Maschinen kontaminieren. Sie sind – in einem Wort – ziemlich schizophren. Wie nett, könnte man da meinen, dass sich ihrer auch in postindustriellen Zeiten noch jemand aus freundlicher Perspektive annimmt.
Es sind Die Krupps, das Düsseldorfer Noise-Kollektiv um den deutschen Gottvater radikalklanglicher Finsternis mit dem wunderbar neogotischen Namen Jürgen Engler. Seit 1981 hat er zahllose Alben geschmiedet, ein knappes Dutzend – je nach Messung – im Studio. Und stets waren es Epen stählernen Krachs mit wechselnd ruppigem Tempo. Ursuppen brachialer Stile von EBM bis Neue Deutsche Härte, die ein zwiespältiges Verhältnis zum Material dieser Art tanzbaren Baulärms in die Nacht legten. Maschinen, Eisen, Feuer – das waren Engler und seinem Stammpersonal Ralf Dörper (Programmierung) und Marcel Zürcher an der Gitarre Freund wie Feind zugleich.
Umso erstaunlicher, wie die Drei das neue Album nennen: The Machinists of Joy. Klingt fast zärtlich – aber nur kurz. Dann dröhnt das erste Stück mit dem fröhlichen Titel Ein Blick zurück im Zorn aus den Boxen und verdeutlicht mit peitschenden Sampelfetzen zum Hochfrequenzbass, dass es hier um eine Art Freude geht, die ihren Spaß in der Dystopie sucht. Dann zieht die Schweißproduktion im anschließenden Schmutzfabrik noch ein bisschen an, beruhigt sich bei Risikofaktor nur sachte, um in Robo Sapien Metall so heftig auf Metall zu dreschen, dass nur ja keiner auf die Idee käme, hier ginge es um ein milde gestimmtes Alterswerk dreier Fiftysomethings.
Denn es geht ums volle Brett. Zum Ende hin mag es zwar manchmal waviger klingen, mehr nach DAF als Chemistry, mit etwas Rammstein-Metal, Pathospoesie und Digitalgezwitscher. Doch die Quintessenz bleibt gezielte Verstörung. Textzeilen wie „im richtigen Land / zur falschen Zeit / doch eure Helden / steh’n bereit“ polarisieren im Gleichstechschritt ebenso wie Originaltöne kämpfender Landser im Frontdrogenlied Nazis auf Speed. Derlei Doppelbödigkeiten gehören nun mal zum düsteren Genre wie der Hammer zum Nagel. So werden bürgerliche Toleranzschwellen ausgelotet.
Doch für den weit größeren Thrill sorgt die erstaunliche Fähigkeit der Krupps, synthetische Musik organisch klingen zu lassen – und umgekehrt. Sie haben sich sogar ihr eigenes Instrument gebaut, das Stahlofon, und bleiben unverwüstlich dynamisch in ihren industriellen Arrangements. Mit The Machinists of Joy delegieren Die Krupps die Deutungshoheit über Fluch und Segen der Maschine dorthin, wo sie hingehört: auf den Tanzboden der Stahlklangparty.
„The Machinists of Joy“ von Die Krupps ist erschienen bei Synthetic Symphony/SPV.