Preisgekrönter Millionenverdiener ist er längst, jetzt erscheint sein Debütalbum. Auf „Recess“ denkt der hassgeliebte EDM-Produzent Skrillex seine Maximalmusik zwar weiter, aber leider nicht zu Ende.
Wo immer Skrillex ist, bleibt die ewig gleiche Diskussion nicht aus. Skrillex macht Dubstep, sagt er. So nennt man ein Genre, das sich um die Jahrtausendwende in britischen Clubs aus Reggae, Dub, Garage und 2 Step entwickelt hat. Seine Kritiker sagen, der 26-Jährige mit dem halbrasierten Schädel habe ihre Musik aus dem Untergrund in den Mainstream geschleift und dort hemmungslos ausverkauft. Wiederum andere Oberexperten, die sich in ihrem Untergrundstatus beleidigt fühlen, meinen, das sei Brostep. Die aufpumpte, prollige, unmusikalische Verunglimpfung ihres geliebten Nischengenres.
Wie auch immer man sie nennen will: Mit seiner Musik hat Skrillex in den vergangenen fünf Jahren Millionen von Dollar verdient und wurde mit zahllosen Preisen dekoriert. Seine schweißtreibenden Liveshows in Mehrzweckhallen mehren seinen Ruhm genau so wie Beiträge für Computerspiel- und Filmsoundtracks und die musikalischen Zusammenarbeiten mit Größen aus den unterschiedlichsten Ecken – seien es KoRn, A$AP Rocky oder Damien Marley.
Sonny Moore, wie Skrillex mit bürgerlichem Namen heißt, startet durch. Diese euphorisch-überladene Tanzmusik, die den brachialen Heavy Metal mit elektronischen Mitteln rekonstruiert, stillt offenbar ein Bedürfnis.
Nach zahllosen EPs, Kollaborationen und Remixen ist jetzt sein Debütalbum erschienen. Gleich das erste Stück zeigt den notorischen Nörglern den Mittelfinger. Es trägt den Namen All Is Fair In Love And Brostep. Und so klingt es auch: Skrillex lässt einen mit grollenden Dub-Bässen getankten Düsenjet in den von Synthie-Blitzen durchzogenen Himmel starten. Da pfeifen einem die Ohren.
Eigentlich erwartet man, dass es auf den folgenden zehn Anspielstationen genau so brachial und maximal weitergeht. Und auch Try It Out und Ease My Mind klingen wie ein Monsterschluckauf, heißgelaufene Modems oder der völlig aus der Fassung geratene Star Wars-Roboter R2D2.
Die Mehrzahl der Stücke auf Recess nutzt Skrillex allerdings, um zu zeigen, was er außerdem so kann. Munter dekliniert er die unterschiedlichsten Spielarten der elektronischen Tanzmusik, kurz EDM. Für den Raggaton-Rave Dirty Vibe arbeitet er nicht nur mit Diplo, sondern auch mit den hierzulande kaum bekannten K- und J-Pop-Legenden G-Dragon und CL zusammen. Zur Überraschung holt er auch noch die Ragga Twins, die Jungle-Helden der neunziger Jahre, aus der Versenkung.
In Coast Is Clear ist Chance The Rapper zu hören. Dem wird eine rosige Zukunft als Rapstar vorausgesagt. Angesichts dessen, was Skrillex und er hier veranstalten, glaubt man das sofort. Klingt es doch nach dem flamboyanten Sound des legendären Hip-Hop-Duos Outkast. Doompy Boomp erinnert in seinem Umgang mit Samples an die Beatspielereien der experimentelleren Hip-Hop-Produzenten, während Fire Away mit seinen ätherischen Vocals und verstolperten Takten in Richtung Future Garage weist.
Skrillex beweist Mut, und der Transfer seines musikalischen Erfahrungshorizonts in die neuen Produktionen ist durchaus zu begrüßen. Nur leider kommt der Sound bisweilen noch etwas unfertig, manchmal sogar plastikhaft daher. Es fehlt dem Album an Substanz und Tiefgang. Es wirkt, als wolle Skrillex sagen: „Schaut mal, ich kann noch mehr! Egal, ob da jetzt Dub-, Bro- oder Was-auch-immer-Step draufsteht – es sollte einfach Spaß machen.“
Recht hat er ja. Nur etwas besser klingen sollte es in Zukunft schon.
„Recess“ von Skrillex ist erschienen auf Big Beat, OWSLA.