So viel Bescheidenheit muss gar nicht sein: Die Rapperin Lily Allen spielt auf ihrem Album „Sheezus“ grandios mit ihrem Image als Prinzessin des Hiphop.
Müssen Frauen sich von Männern abgucken, wie das mit dem Regieren funktioniert? Müssen sie lernen, sich Führungspositionen mit Arroganz, Ellbogen und Zoten zu erkämpfen, sollten sie im Gegenteil lieber auf Soft Skills und weibliche Seilschaften setzen, oder ist es am besten, das ganze Rennen gar nicht erst mitzumachen?
Erst kürzlich mischte die Facebook-Managerin Sheryl Sandberg die ewige Diskussion mit ihren „Lean In“-Theorien auf, die eigentlich erklären sollten, wie Frauen es nach oben schaffen können. Kein leichtes Terrain also, über das Lily Allen mit ihrem dritten Album Sheezus hüpft, als wären die Tretminen nur für alle anderen da.
Die Idee, sich den Albumtitel vom eingebildetsten Rapper aller Zeiten zu klauen, war nur so lange ein cleverer Seitenhieb, bis Lily Allen öffentlich erklärte, sie hoffe, dass Kanye West das jetzt nicht als Angriff auf seine Person verstünde. Und auch im Titelsong, mit dem sie Sheezus eröffnet, stellt sie fest, dass sie eigentlich gar nicht so gerne kämpft.
Ja, die Sheezus-Krone hätte sie bitte gerne, aber sich dafür mit zeitgenössischen Diven wie Beyoncé, Lorde, Lady Gaga, Katy Perry oder Rihanna anlegen (die sie im Refrain allesamt beim Namen nennt)? Och nö. Und dem stolzen lateinischen Schriftzug Divide et impera („Teile und herrsche“) schiebt sie zur Sicherheit noch ein augenzwinkerndes Quidquid latine dictum altum videtur („Was auf Latein gesagt wird, klingt wichtig“) hinterher.
Lily Allen will nicht mitspielen, wenn es nur eine Gewinnerin geben darf. Das ist grundsätzlich natürlich löblich und eine gutgemeinte Ansage an eine Welt, die Frauen im konstanten Katzenkrieg sehen will, aber es geht auch völlig vorbei an der Realität des Rap. Dass ein unreflektierter Profilneurotiker wie Kanye West sich für das Göttlichste unter der Sonne hält, hindert ihn nämlich nicht daran, im echten Leben Freundschaften zu anderen Rap-Mogulen zu pflegen. Watch The Throne bewies, wie sich geteilte Königreiche noch vervielfachen lassen. Allen dagegen steht fair und alleine am Rande.
Lily Allen hat die ganze Bescheidenheit gar nicht nötig. Sheezus verbindet die fluffige Leichtigkeit ihres Debüts Alright, Still mit dem pastelligen Synthiepop des zweiten Albums. Gemeinsam mit dem Produzenten und Pop-Experten Greg Kurstin verteilt sie Zuckerstimme, Luftschlangen und flächige Achtziger-Keyboards über blubbernden Beats, Händeklatschen und trockenen Gesangsparts mit einem Anflug von Cockney. Und nachdem die erste Albumhälfte noch eher einheitlich vorbeigleitet, macht Allen sich zur zweiten Hälfte einen Spaß daraus, mit den Genres zu spielen. As Long As I Got You ist eine flotte Hillbillie-Nummer mit Akkordeon und Kirmes-Refrain, Close Your Eyes weckt direkt im Anschluss Erinnerungen an die kitschigsten R’n’B-Musikvideos der Neunziger.
Allen war schon immer am besten, wenn sie sich Quatsch erlaubte. Zur Königin des Pop wird sie mit Sheezus nicht werden, dazu bräuchte es dickere Ansagen, aber als Prinzessin ohne Regierungsverantwortung, die kichernd durch den Schlossgarten läuft und den Drachen Streiche spielt, macht sie sich ziemlich gut. Wenn nur einer von ihnen am Ende ihren bunten Girl-Power-Song Hard Out Here nicht mehr aus dem Kopf bekommt, ist doch auch schon was gewonnen.
„Sheezus“ von Lily Allen ist erschienen bei Parlophone/Warner.