Wer sich hingibt, macht nichts falsch: Der Jazztrompeter Avishai Cohen und sein Trio Triveni aus New York haben ihr großartiges, neues Album in nur einer Session aufgenommen.
Man möchte ja auch wissen, wo die Musik herkommt. Kommt sie aus Käfighaltung? Aus biologisch-dynamischem Anbau? Kann man sie guten Gewissens hören? Die neue, dritte Platte von Triveni beantwortet diese Fragen vor dem ersten Ton, denn der Trompeter und Gründer des Ensembles, Avishai Cohen, legt in den Liner Notes dar, wie sie aufgenommen wurde.
Das Trio mit Omer Avital am Bass und Nasheet Waits am Schlagzeug habe sich in Brooklyn getroffen, ohne mit den neuen, von Cohen komponierten Stücken auf Tour gewesen zu sein oder sie geprobt zu haben. Weil sie das Studio bloß einen Tag lang hatten, hätten sie sich darauf verständigt, jedes Stück nicht mehr als zweimal aufzunehmen. „Das fokussierte den Prozess, gab der Session Bewegung, Fluss. Die Musik einfach zuzulassen und in diesem Gefühl zu entspannen – das befähigte uns, das Unbekannte anzunehmen, die rechte Stimmung zu finden.“
Sie seien zu dritt im selben Raum gewesen, ohne Trennwände, ohne Kopfhörer, um der Musik jene Intimität zu geben, die sie leben lasse. Der Trompeter sagte seinen Begleitern nicht, was sie tun sollten. Sie würden ihren Part finden. Als zwischendurch die Tür aufging und zwei befreundete Musiker vorbeischauten, um Guten Tag zu sagen, durften auch sie einsteigen.
Nun könnte man nach solcher Vorrede ein grobes Durcheinander erwarten, eine Art Free Jazz, der ja wie ein rotes Tuch vor den Ohren der meisten Hörer hängt. Oder eine Jam-Session mit all ihren Unschärfen. Aber das ist nicht der Fall. Das Trio tastet sich gemächlich in die zehn Balladen vor, deren Tempo kaum je anzieht. Die Trompete warm, lyrisch, zart, streichelnd vorneweg, gefolgt von der Rhythmusgruppe, die vom Timing her auch auf einer Beerdigung in New Orleans spielen könnte, so lebensfroh wie ins Unvermeidliche sich fügend.
Die drei streifen die üblichen Produktionsbedingungen ab, um Teil der großen Schwingung zu werden, der sie sich hingeben: Dann ist nichts mehr falsch oder schlecht.
Ein großartiges Album großartiger Musiker, die Moderne und Tradition verschmelzen, was sich auch daran zeigt, wie sie unterwegs die Ahnen ehren. Sie spielen Billy Strayhorn und Charles Mingus, sie huldigen Chet Baker und Ornette Coleman – froh, reif, selbstbewusst und sehr präsent.
Avishai Cohen, der Trompeter, der auch auf dem neuen, viel gelobten ECM-Album des Saxofonisten Mark Turner spielt, hat nichts zu tun mit Avishai Cohen, dem Bassisten. Er heißt nur so.
Avishai Cohen, der Trompeter, geboren 1978 in Tel Aviv, ging mit achtzehn zum Musikstudium nach Boston und lebt jetzt in New York. Auf der Hülle der CD sehen wir ihn als Hipster mit Bart in Feinripp, die Schulter tätowiert, die Trompete lässig in der Linken, die Rechte einen Tabakstummel an die Lippen führend.
Schon frech, oder? Denn was nützt die biologisch-dynamische Musik-Erzeugung, wenn dabei geraucht wird! In Amerika darf man diese Platte bestimmt erst mit 21 kaufen.
„Dark Nights“ von Avishai Cohen’s Triveni ist erschienen bei Anzic Records.
Aus der ZEIT Nr. 44/2014