Die vier Japanerinnen von OOIOO spielen schrulligen Jazz. Hysterische Chöre verbinden sie mit Wohlklängen, Ruhiges mit Hektischem, Schönes mit Hässlichem. Sehr japanisch!
Ich hatte mal eine Kollegin aus Japan. Jeden Monat bekam sie ein Paket von ihren Eltern. Darin befanden sich Räucherstäbchen, die nach Fisch rochen und Kekse, die nach Fisch schmeckten. Alles war aufwendig verpackt mit Schnüren, Plastikfolien und edlen Papierchen. Die Farben, die Gerüche, die Schrift – Grüße aus einem Land, das in einer anderen Welt lag.
Daran erinnert mich Taiga, das neue Album der japanischen Formation OOIOO, wenn es auch nicht nach Fisch riecht. Die Gruppe mit dem seltsamen Namen begann als Gerücht, gestreut von ihrer jetzigen Chefin Yoshimi P-We. Sie ist Mitglied der Gruppe Boredoms und in Japan als Rockstar bekannt. Die immergleichen Fragen der Journalisten langweilten sie, so erfand sie die Geschichte eines Seitenprojektes. Das Interesse war so groß, dass aus dem Ulk eine Tat wurde und sie die Gruppe tatsächlich ins Leben rief.
Yoshimi und ihre Kolleginnen Ai, Aya und Kayan sind versierte Instrumentalistinnen und zeigen das gern, manchmal erinnert ihr Spiel an den Fusion-Jazz. Doch OOIOO gniedeln nicht selbstverliebt herum, sie verbinden ihre Instrumentalakrobatik mit der Energie des Punk und japanischer Musik.
Über Trommeln, Elektronik, Trompeten, Bass und kreischendem Gesang klingt eine Gitarre, deren Melodien an den Progressive Rock der siebziger Jahre erinnern. Manchmal wähnt man sich im Jazzkeller mit dem Fred Frith Guitar Quartet. Kaum will man sich dort einrichten, geht der Flug zu den Okinawa-Inseln im Süden des Japanischen Meeres. Dort gibt es Karaokebars.
Abrupt wechseln hysterische Chöre mit Wohlklang. Das Entspannte tritt neben das Hektische, das Schöne neben das Hässliche. Und trotz der vertrackten Rhythmik scheint Taiga in sich zu ruhen. Ist das exotische Logik? Viele Europäer halten die Japaner für schrullig und sonderbar. Daran wird diese Platte wenig ändern.
„Taiga“ von OOIOO ist als LP und CD erschienen bei Thrill Jockey, Taiga ist das japanische Wort für „der große Wald“
Hören Sie hier „UMA“
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