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London ruft

 

Damon Albarn greift wohl nie daneben: Er ist Kopf und Sänger von Blur und den Gorillaz. Und auch sein neues Projekt The Good, The Bad & The Queen klingt ganz schön aufregend

The Good The Bad The Queen

Kaum eine Stadt spielt in der Geschichte der Popmusik eine so große Rolle wie London. Vom Swinging London über die Punkbewegung und den wuseligen Britpop der neunziger Jahre bis hin zu zeitgenössischen Tanzflächen-Spielarten, in den Clubs der Stadt entsteht Neues.

Viele Musiker haben London Alben auf den Leib geschrieben, die die Zeit überdauert und die Straßen zwischen Kings Cross und Tower Bridge ins kulturelle Gedächtnis eingebrannt haben. London Calling von The Clash kommt einem in den Sinn, Blurs Parklife und Alben von The Jam, The Who und David Bowie.

Damon Albarn war als Kopf der Band Blur ein Auslöser der Britpop-Welle. Doch das erstarkte britische Selbstbewusstsein, die Rede von Cool Britannia und die enge Verbindung zwischen Tony Blairs New Labour und der Popmusik stießen ihn bald ab. So wendeten er und seine Band sich auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs Mitte der neunziger Jahre der amerikanischen Independent-Musik zu. Blur drehten entschlossen die Gitarrenverstärker auf, die Stücke ihrer späteren Alben klangen zerfahren. Der englische Pop wurde vom musikalischen Experiment abgelöst, ein Schlussstrich unter die eigene musikalische Vergangenheit gezogen. Später eroberte Albarn mit seinem Projekt Gorillaz (zusammen mit dem Zeichner Jamie Hewlett) den Tanzboden, machte eine kauzige Soloplatte (Democrazy, 2003) und tauchte in die Klangwelten Malis ein (Mali Music, 2002).

Mit drei namhaften Musikern wagt sich Albarn nun als The Good, The Bad & The Queen in die Weiten des Pop zurück. Paul Simonon spielte einst Bass bei The Clash, der Nigerianer Tony Allen war Schlagzeuger bei Africa 70 und Fela Kuti, und der ehemalige Gitarrist von The Verve Simon Tong unterstützte Albarn bereits bei den Gorillaz. Gemeinsam schufen sie eine Art Konzeptalbum über das multikulturelle London. Die Stadt stellte die Einflüsse bereit, der Sänger ersann gewohnt flockige Melodien.

Das Album ist ein musikalischer Schmelztiegel. Aus den Clubs geht es hinaus auf die Straße, die Industrie-Einöde im Rücken, lichte Punkte und Träume vor Augen: „When you are all uptight with fever inside / Let’s get out / And if we can’t do that what do you say / Let the past pass away“, heißt es in Behind The Sun zu schleppenden Rhythmen und somnambulem Gesang.

Man ist erinnert an The Specials. Im England der düsteren Thatcher-Jahre waren sie die erste aus schwarzen und weißen Musikern bestehende Band, die Punk und Reggae, Ska und Pop miteinander verband. The Clash erprobten zumindest stilistisch Ähnliches. Ihr Klassiker The Guns Of Brixton lebte von Simonons Reggae-infizierten, wuchtigen Basslinien. Auf The Good, The Bad & The Queen ist dieser Bass wieder zu hören. Er schlängelt sich durch den History Song, lädt zum Tanz in Northern Whale und gibt sich musikalisch nostalgisch im düsteren 80s Life.

Der Produzent Brian Burton – besser bekannt als DJ Danger Mouse – verpasst den Kompositionen Präzision und Klarheit. Akustisches Füllmaterial gibt es hier keins, nichts verdeckt die Melodien dieses großen London-Albums.

Das selbstbetitelte Debütalbum von The Good, The Bad & The Queen ist als CD und LP erschienen bei EMI

Hören Sie hier „Kingdom Of Doom“

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