Moon Safari war 1998 ihr großer Wurf. Danach kam wenig Aufregendes vom französischen Duo Air. Nun erinnert ihr neues Album Love 2 wieder an die guten alten Zeiten
Kaum zu glauben, dass es erst elf Jahre alt ist: Moon Safari, das Schlüsselalbum des gut gelaunten Synthie-Pops. Eine gefühlte Ewigkeit hält seine Wirkung auf die elektronische Gegenwart bereits an. Ebenso lang rackert sich das französische Duo Air an einem Nachfolger ab.
Mit wem haben Jean-Benoît Dunckel und Nicolas Godin nicht alles gearbeitet auf den sechs Folgealben: Françoise Hardy, Thomas Mars von Phoenix, selbst Beck. Doch nie kam er zurück, dieser traumwandlerische Ursound, das unbeschwert Mäandernde scheinbar zielloser Raumklänge. Bis jetzt. Love 2 holt jene vertrackte Leichtigkeit zurück in den French House, die ihm tanzwütige Epigonen von Justice bis Mylo ausgetrieben hatten.
Vor ihnen bildeten Air eine Art Ruhepol des technoiden Mainstreams auf dem Weg ins neue Millennium. Nun tragen sie ein bisschen davon in dessen zweites Jahrzehnt. Zwölf Stücke voller Atari-Samples, Streicherteppiche und Rockelemente, jedes für sich eine kompositorische Wundertüte, die eigentlich zu kompliziert wäre zum flüchtigen Hören – und die uns zum flüchtigen Hören Verdammte doch sanft in den Sessel zieht, so gefällig klingen all die Pianokaskaden, Gesangsrinnsale, Blockflötentropfen zu Moog und Vocoder…
Wie zu den Glanzzeiten von Air enthebt Love 2 den Text von jeder Verpflichtung zum Sinn und den Sound von aller Schwere. You Can Tell It To Everybody heißt das vorletzte Stück, und Dunckel singt davon, was da alles jedem erzählt werden soll, ohne je konkret zu werden: „There is something going on between us„.
Tatsächlich, es geht was vor zwischen Air und ihrem Publikum, doch was da so fesselt, bleibt seltsam unerklärlich. Man spürt nur, dass die Knoten sanft genug geknüpft sind, um ein Gefühl von Zwang gar nicht erst aufkommen zu lassen. Air wirken wie eine Physiotherapie, die den Körper Wirbel für Wirbel lockert, oder aber wie ein Kampfsport, bei dem die Kämpfenden den Kampf vergessen haben – insgesamt mehr schwingendes Tai-Chi als das hektische Jiu-Jitsu elektronisch Artverwandter.
Weil der Planet bald untergeht, „sollten wir uns möglichst viel amüsieren“, erklärt Nicolas Godin das Stück Do The Joy und nennt die anregende Mixtur aus Hardrock, House und Captain Future-Sounds „unseren Öko-Song“. Nein, von Tiefgang kann man wirklich nicht sprechen. So angenehm aber war heiße Luft selten.
Love 2 von Air ist erschienen bei EMI.
Diese Rezension unseres Autors ist erschienen im Musik-Spezial der ZEIT Nr. 42/2009.