Der Satz zur Begrüßung in der Küche seiner Wohnung ist natürlich klasse: „Ich bin Tischler seit 21 Jahren.“ Markus Wilhelms, 37, ging also mit 16 in die Lehre? „Ja, nach der Mittleren Reife in Emden.“
Zunächst ein Leben, wie es viele führen, aus der Provinz in die große Stadt. Der Tischler, der von Ostfriesland nach Hamburg zieht, verbringt seine Tage mit Einbaumöbeln; er lebt von der Arbeit, für die Musik.
Mit seiner Frau hatte er vergangenes Jahr in Urlaub fahren wollen, 1300 Euro lagen schon bereit; sie sagte: „Nimm das Geld, und mach die erste Single.“ So eine Ehe muss man führen. Denn der Mann hatte einen Traum, der auf Erfüllung drängte: Platten zu machen. Nicht als Musiker, sondern als Inhaber eines Labels.
Inhaber eines Labels – wie das klingt! Er ist das Label. Sein Programm: den „Sound Of Young Scotland“ auf den Kontinent zu bringen.
Vor zwanzig Jahren war er zum ersten Mal in Glasgow gewesen, einer Stadt, die er seither zu den hässlichsten zählt, die er kennt, eine bitterarme Stadt, Arbeiterstadt, deren Bewohner ihn aber begeistern mit ihrer Freundlichkeit und ihrer Sprache: „Die haben einen ganz, ganz eigenen Akzent… wie Afrikaner, die Englisch sprechen, das R wird gerollt.“
Und so singen sie auch; Markus Wilhelms findet, dass wir das hören sollten. Er macht es möglich.
Inzwischen hat er vier Singles herausgebracht, koloriertes Vinyl, hübsch verpackt, Musik auch fürs Auge. Und nun die erste Kompilation, Get While The Getting’s Good, zwar nicht in Rillen gepresst, da zu teuer, „leider“, aber auf CD, „immerhin nicht im Jewel-Case, das war mir wichtig“ – 19 Stücke sehr verschiedener Bands, 75 Minuten. „Die hab ich eines Abends nach vier, fünf Bier zusammengestellt, wie früher ein Mixtape für Freunde.“
Die Musik weht aus den Lautsprechern wie eine frische, nahezu friesische Brise, quicklebendiges Popschottentum von Folk bis Rock bis Elektronika. Holt euch dieses Probier-Album, möchte man den Lesern zurufen, zumal zum Sparpreis von 10 Euro.
Aufgeladen und bereit nennt er seine Einmannplattenfirma, ein Name mit angespannten Muskeln und nicht von ungefähr: Aufgeladen und bereit fur Action und Spass, das war eine Platte der Fire Engines aus dem Jahre 1982 – eine schottische Band, die mit einem deutschen Titel kam, wenn auch ohne Umlaut und Esszett.
Zum Beweis holt der Labelchef das gute Stück aus seiner Sammlung. Die Stücke heißen Get Up And Use Me oder Lubricate Your Living Room, Part 1; man könnte sie eigentlich gleich auflegen.
„Die Briten lieben deutsche Titel“, sagt er. Als eine seiner Bands neulich in der BBC zu Gast war, habe der Moderator den Label-Namen während der Sendung viermal genannt, „weil ihm das so viel Spaß gemacht hat“. Die schottischen Bands seien zudem stolz, ihre Musik auf einem ausländischen Label herauszubringen – mag es auch klein sein.
Alles gut also? Es könnte besser laufen. In den vergangenen Wochen schlief die Nachfrage nach Aufgeladen-und-bereit-Platten komplett ein. Niemand wollte auch nur eine. Windstille im Online-Shop. Der Plattenhandel ist ein verdammt schwieriges Geschäft geworden.
Markus Wilhelms sieht es gelassen. Er hatte auch schon mal 400 Vorbestellungen für eine Single. Heute so, morgen so. Bei ihm zu Haus steht nichts Gebranntes, „gar nichts“; er mag das nicht: „Es ist mir ganz wichtig, die Musik auch zu kaufen.“ Seine letzte Anschaffung war eine gebrauchte Langspielplatte des Saxofonisten Pharoah Sanders, „von 1969, auf dem Impulse-Label“.
Und, kommt noch mehr Musik aus Schottland? „Ich bereite gerade die nächsten drei Singles vor.“
Es geht also weiter? „Auf jeden Fall!“
Die Kompilation „Get While The Getting’s Good – A Collection Of Scottish Music“ ist erschienen bei aufgeladen und bereit
…
Weitere Beiträge aus der Kategorie POP
Patrick Wolf: „The Magic Position“ (Loog/Polydor 2007)
Hauschka: „Versions Of The Prepared Piano“ (Karaoke Kalk 2007)
Electrelane: „No Shouts No Calls“ (Too Pure 2007)
Manic Street Preachers: „Send Away The Tigers“ (Red Ink 2007)
Wolke: „Ich will mich befreien“ (Tapete Records 2007)
Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter zeit.de/musik