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Das Instrumentenmonstrum

 

Der große Jazzgitarrist Pat Metheny hat sich in eine universelle Musikmaschine bauen lassen: Auf seinem neuen Album „Orchestrion“ spielt er alle Instrumente selbst.

Pat Metheny in seinem wundersamen Musikkabinett (© Jimmy Katz)
Pat Metheny in seinem wundersamen Musikkabinett (© Jimmy Katz)

Pat Metheny, der König Midas der Jazzgitarre, ganz in seinem Reich: Man hört die verschiedenen Stationen seines musikalischen Werdegangs – den typischen Gitarrenklang, der unverzerrt und nebelverhangen den Spiegelungen seiner Echoeffekte entsteigt. Oft wurde er nachgeahmt, und doch ist er unverkennbar. Man hört die Marimba-Muster, die sich nach Art der Minimal Music verschieben und fortentwickeln, Harmoniefolgen, die sich nicht in einer Tonart auflösen wollen und immer noch einen Schritt weiter zu drängen scheinen, ohne je den Eindruck großer Aufregung zu vermitteln. Man hört die zarten Motive, die unter dem dicken Zuckerguss immer noch eine pikante Note aufweisen, die fein schwingenden, von moderner lateinamerikanischer Musik getragenen Grooves mit den trägen Quintenbässen, die seine Musik immer dann prägen, wenn er dem Jazz der Standards und Jam-Sessions den Rücken kehrt.

Man hört sehr viel Vertrautes und dennoch – eine völlig neue Konstellation. Metheny, der College-Romantiker aus dem amerikanischen Mittelwesten, ist dieses Mal ganz allein mit sich und nur umgeben von den Klängen eines Orchestrions. Einst war ein Orchestrion ein Traumspielzeug für komponierende Musiker: eine Instrumentenmaschine, die gleichzeitig Bass ist und Piccoloflöte, Fanfare und Violine, Klavier und Schlagzeug. Sie ersetzt ein ganzes Orchester und funktioniert zuverlässiger als jeder leibhaftige Musiker.

Im 19. Jahrhundert war sie in verschiedensten Varianten populär: Auf den Jahrmärkten wimmerten Drehorgeln, im Wilden Westen spielten Walzenklaviere zum Cancan, im Schwarzwald und in Sachsen entwickelten Instrumentenbauer Orchestrien, die in Hotelhallen und bürgerlichen Salons mithilfe von Walzen oder Lochstreifen wahlweise zum Tanz aufspielten oder ganze Beethoven-Sinfonien aufführten. Später kaperte das Studio den Traum von der Livemusik ohne Musiker, und der Synthesizer perfektionierte ihn.

Methenys Orchestrion stellt die moderne, digitale Programmverarbeitung wieder auf die Füße analoger Klangerzeugung. Es erklingen Holzplatten, Saiten, Becken, Trommeln, Bässe, Marimbas. Jeden Klavierakkord und jedes Perkussionsmuster hat Metheny selbst eingespielt, mitsamt den Unwägbarkeiten, die das Spiel eines leibhaftigen Musikers von digitaler Simulation unterscheidet.

Metheny erhöht damit die Reibung, die seine musikalische Fantasie in der Improvisation aufheizt. Mit dem Orchestrion, das ein Team von Tüftlern in seinem Auftrag konstruiert hat, begibt sich der Jazzmusiker Metheny in ein Spiegelkabinett, dessen Spiegel er selbst ausgewählt und ausgerichtet hat: In jedem Spiegel bricht sich nur er selbst. In der Studiosituation geht es um Nuancen, Metheny spielt sich hier durch seine musikalischen Welten, freundlich und gelassen, als wäre das Orchestrion nur eine optimierte Version der Pat Metheny Group. Im März geht Metheny dann mit seinem Instrumentenmonstrum auf Tour.

„Orchestrion“ von Pat Metheny ist erschienen bei Nonesuch/Warner.

Pat Methenys Orchestrion-Tour: 2.3. Berlin; 3.3. Hamburg; 4.3. Bremen; 6.3. Köln; 8.3. Dortmund; 10.3. Frankfurt; 11.3. Baden-Baden; 13.3. Backnang

Dieser Artikel wurde in der ZEIT Nr. 3/2010 abgedruckt.