Bei Düsseldorf wurde nicht nur dereinst unser Neandertaler Vorfahre gefunden, es lebt und arbeitet dort auch ein Urgestein rheinischer Pop- und Elektronikmusik. Frank Fenstermacher und Kurt Dahlke sind nur ein winziges bisschen weniger berühmt als der Höhlenmensch, in Popmusikepochen gerechnet sind sie schon urig lange wohlbekannt. In den achtziger Jahren würzten sie mit der Gruppe Der Plan und ihren grotesken Mitsinghits die Neue Deutsche Welle. Zudem riefen sie die Bands Fehlfarben und DAF ins Leben und gründeten ihr eigenes Label ata tak. Als Krönung ihrer Musikerfreundschaft bilden sie schließlich das Elektronik-Duo A Certain Frank.
Kurt Dahlke nennt sich dann Pyrolator – ihrer neuen CD nowhere liegt, im Transparentplastik der Hülle gut sichtbar eingeschlossen, ein Streichholz bei! Mach Feuer, alter Freund! Lass die entspannten Grooves und exotischen Klänge warm leuchten, diese modernen, aber niemals modischen Melodien. Denn was bei A Certain Frank wie Lounge-Musik zum Nebenbeihören klingt, kommt in Wirklichkeit aus tiefen Höhlen, von nowhere ist es now here, wie man den Album-Titel auch lesen kann.
Aus dem Nirgendwo ins Hier und Jetzt scheint auch Frank Fenstermachers Stimme zu tönen, wenn er seine Wortspiele wie im ersten Song L‘argent in eine karge, rauh gemurmelte Gesangslyrik verpackt. Das Französische zieht sich sparsam als Signalfarbe der Aufklärung durch Kurt Dahlkes schwelgerische Synthesizermalerei und die aus dem Computer gezauberte Exotik. Wie an einem Streichholz entzünden sich am Wohlklang kleine schrille Funken, melodische Ausrutscher auf dem Weg zur Disharmonie, kurz vorher abgefangen von weichen animalischen Rhythmen. Hier ein etwas zu scharfes Gitarrenschnarren, dort ein übersteuertes Dröhnen oder Pfeifen, überwuchert von Pianolianen, gebannt von Rumbarasseln.
Eine der Höhlen im Urwald heißt trancelingen. Technoides Geschepper weist den Weg, unten drunter wummert es fast wie aus dem Hause Basic Channel. Vorlaut schnattern die Bläser, die frechen Äffchen. Mal nimmt Frank Fenstermachers Saxofon den D-Zug durchs fremd knisternde Idyll, mal bringt es den von den vorigen Platten bekannten jazzigen Chillfaktor. Auch der ist nicht ohne – wer je als DJ die anonyme Abendgesellschaft mit Stücken von noendofno, nobody? no! oder nothing beschallt hat, weiß, welches Maß an nervöser Aufmerksamkeit sogar Kenner zur Nachfrage ans Discopult treibt.
Ein solches Geheimversprechen gibt auch das Stück the earth is round. Die im Refrain stetig wiederholte, ja recht simple naturwissenschaftliche Erkenntnis verhallt im Nebel der Vibraphonechos und verzerrt quäkender Kazoolaute. Daraus entsteigt mit zweigeschlechtlich anmutendem Tarzansingsang eine neue Dschungelgottheit. Auf verschlungenen Loops und elastisch federnden Dub-Beats tanzt sie durch die nächsten Stücke bis in den Himalaya.
Flockig versprengen Geräusche und Melodien ihren Esprit und wirbeln dabei immer wieder Elementares auf, wie im letzten Stück Wald. Von dort flüstern A Certain Frank synästhetisch mit dem Holzmotiv auf der CD-Scheibe, einer Nachbildung des ersten hierzulande gefundenen Holzrades aus dem 11. Jahrhundert vor Christus. Doch alles historisch Schwerwiegende wird hier so verführerisch zur leichten Muse, als sei Platons Höhle mit einer schicken Fototapete ausgekleidet, bambusgrün leuchtend wie der CD-Hintergrund. In Sokrates Becher lockt ein exotischer Cocktail, und als jüngste Gäste im Höhlenpop-Ambiente machen die französischen Dekonstruktivisten Small Talk und wippen dazu mit den Füßen.
„nowhere“ von A Certain Frank ist als LP und CD erschienen bei ata tak
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