Ben Sidran ist Journalist und Musiker. Jetzt hat er aus alten Dylan-Songs wohlklingenden Jazz gemacht. Durchaus nicht unproblematisch.
Die Sechzigerjahre waren die Zeit des Erwachens. Aufbruch und Hoffnung prägten das Bild Amerikas, wie es der junge Bob Dylan in seinen Texten zeichnete. Gerade war er aus Minnesota in New York eingetroffen, schon hatte er einen Plattenvertrag bei Columbia Records. Ob der einflussreiche jüdische Produzent John Hammond nun vor allem jüdische Musiker verpflichtete, böte Verschwörungstheorien Stoff.
Inwieweit Produzenten letzlich Einfluss auf Musik, ihre Verbreitung und Rezeption haben, wie sich ein Begriff wie Popkultur füllt und ob die Musikgeschichte anders verlaufen wäre, wenn es einen John Hammond nicht gegeben hätte – das bleiben dennoch interessante Fragen.
Welchen Beitrag jüdische Musiker zur amerikanischen Musikgeschichte und damit zur Friedens- und Bürgerrechtsbewegung geleistet haben, will der Musikwissenschaftler, Produzent und Musiker Ben Sidran untersuchen. Sein aktuelles Album Dylan Different dreht sich um den bewunderten, unfassbaren, jüdischen Dylan, der sich selbst erfand und zum Symbol des neuen Amerika wurde.
Songs wie Highway 61 Revisited und Ballad of a Thin Man schrieb Dylan als Bewusstseinsstrom: Neben den lyrisch eindrucksvollen Strophen stehen rohe, brüchige und fast unbeholfene Verszeilen. Sidran hat die seiner Meinung nach wichtigen herausgefiltert – durchaus nicht unproblematisch.
Dylan habe nie zurückgeschaut, sagt Sidran im Interview. Er hingegen tut es nun und räumt auf. Sidran hängt die Musik an einen durchgehenden Groove, das wirkt schön geordnet. Er sagt, er habe die Magie einfangen wollen, die er damals beim Hören von Dylans Musik gespürt habe. Deshalb sei er für die Aufnahmen nach Frankreich gefahren, in ein Studio auf dem Land.
Im Youtube-Video sieht man das weiche Licht auf den Holzdielen und Sidran, über die Tasten gebeugt. Er singt mit ruhiger Stimme, nein, er spricht vielmehr über die Musik hinweg. Ein seltsam schönes Jazzsetting. Eine sanfte Basslinie, eine wiegende Melodie.
Und doch ist dies die Dokumentation eines Scheiterns. Von einem, der auszog, die Welt zu verändern. Sidrans erstes Buch Black Talk. A Cultural History of Black Music in America wurde wegweisend für den Diskurs über die Rezeption afro-amerikanischer Musik. Er komponierte Steve Millers großen Hit Space Cowboy, seine Fernsehserie New Visions wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, und er schreibt für den Rolling Stone. Sein jüdisches Selbstverständnis dennoch ist tief verwundet. Als er zwölf war, berichtet Sidran, sei er von seinen Mitschülern gefragt worden, ob Juden wirklich das Blut von Christen für ihre religiösen Rituale verwenden würden. Damals wuchs das Gefühl in ihm, dass die Welt sich durch eine Bewegung verändern könne, durch Musik.
Mit diesem Album wird das leider nicht gelingen. Zu sehr versinkt Sidrans Songsauswahl im Gleichklang. Das sanft schaukelnde, repetitive Rhythmusgeflecht spiegelt offenbar die Sehnsucht, seine beiden großen Lieben zu verbinden: die afro-amerikanische Jazztradition, in der sich Sidran selbst sieht, und auf der anderen Seite die Texte seines jüdischen Helden Bob Dylan. Dass die Zeit, in der Dylans Musik entstand, eine zerrissene war, davon lässt Sidran wenig durchschimmern. Nur manchmal, wie in Ballad Of A Thin Man, schwingt die spröde Zärtlichkeit des Sehnsuchtssuchers mit.
„Dylan Different“ von Ben Sidran ist erschienen bei Bonsai