Unverschämt anziehend: The Budos Band saugt alle auf die Tanzfläche. Ihr Großkapellenfunk klingt, als würden sich James Brown und Fela Kuti zur Session treffen.
Auf gewöhnlichen Heimcomputern gibt es diese merkwürdig psychedelischen Visualisierungen, mit denen der Rechner automatisch die abgespielte Musik begleitet. Ganz gleich, ob Death Metal, finnischer Tango oder Zwölftonmusik – stets zentrifugieren im Player amorphe Farbenspiele, die grafisch an den Ursprung aller Digitalität erinnern. Meistens achtet man nicht weiter drauf, schaltet sie weg, schwelgt höchstens mal in Nostalgie.
Zum Sound der Budos Band aber passen die bildhaften LSD-Trips perfekt. Die Klangkaskaden des New Yorker Big-Band-Funk-Kollektivs sind farbenfroh und intensiv, dass die animierten PC-Videos wie gemacht dafür scheinen. Denn ihr drittes Album – schlicht, aber stilsicher Budos III genannt – ist noch mehr als die vorherigen ein Rausch der ganzen Ära zwischen Soul und Disco, ohne so wirr zu klingen, wie es das Rauschhafte darin suggeriert.
Elf Stücke lang schiebt das Blechblasinstrumentarium den Hörern eine Art Soundtrackkonvolut in die Ohren, The quintessence of Staten Island Funk, heißt es. Jedes Stück evoziert Bilder zu einem anderen Film, da muss man gar nicht die Augen schließen. Zum Auftakt von Rite Of The Ancient rast man in wilder Verfolgungsjagd durch die Straßen von San Francisco. Das nachfolgende Black Venom versetzt einen in die geheimnisvolle Fernsehpsychostadt von The Prisoner, hierzulande vor mehr als 40 Jahren bekannt als Nummer 6. Während Unbroken, Unshaved spielt, sitzt man neben John Shaft im offenen Sportwagen. Bei Nature Wrath lächelt der rosarote Panther vom Beifahrersitz herüber.
Alle Stücke auf Budos III sind hochenergetische Arrangements mit peitschenden Trompeten, impulsiver Percussion, flächigen Sixtiesorgeln und – unauffällig, aber unüberhörbar – pointierten Saiteninstrumenten. Das Ganze zwar ohne jeden Gesang, aber mit einer klaren Sprache. Das klingt, als träfen sich Henry Mancini, Fela Kuti und James Brown zur Jam-Session.
Ganz ähnlich entstehen die Platten der Großkapelle tatsächlich: Als Konzentrat 48-stündiger Studiobesuche, alle elf Mitglieder in konzept-, nie jedoch strukturloser Einspielwut. Geschwindigkeit, Spontaneität und Inspiration als Reminiszenzen an die Gründungstage der Highschoolband von der Ostküste, hervorgegangen aus Punks, Hip-Hoppern, ja selbst Hardrockern. Wen überraschen da diese brachialen Soundwände.
Analog zum dauerbeschleunigten Aufnahmetempo wirkt das Ergebnis dann auch auf den Hörer, der sich einer autotoxikomanen Bewusstseinserweiterung gewiss sein darf. „Die molltonartigen Bläser und kriechenden Bassläufe nötigen einen eher auf die Tanzfläche, als einfach dorthin zu locken“, schrieb das New Yorker Musikmagazin Spin schon über das Vorgängeralbum. Dieses hier nötigt nicht nur, es saugt einen förmlich an. Widerstand zwecklos.
„Budos III“ von The Budos Band ist erschienen bei Daptone/Groove Attack